Nach der endgültigen Ablehnung des Asylantrages – was ist zu tun?

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Gibt es noch Rechtsmittel, die auch bei einer endgültigen Ablehnung des Asylantrages eingereicht werden können? Welche Pflichten ergeben sich nach der Ablehnung? Und was macht überhaupt die Härtefallkommission? Die Antworten auf diese Fragen finden Sie in dieser Lektion.


Letzte Aktualisierung: Oktober 2019  

Wenn der Ablehnungsbescheid vorliegt, ist meist die Enttäuschung des/der betroffenen Geflüchteten, aber auch des/der Ehrenamtlichen, der/die die Person während des Verfahrens begleitet hat, zunächst groß. Wie man mit dieser Behördenentscheidung umgehen kann und welche Wege man noch verfolgen kann, erklärt Jens Dieckmann, Rechtsanwalt und Experte für Asylrecht, in folgendem Video:

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Wann erlischt die Gestattung des Aufenthalts, wann besteht eine Ausreisepflicht und was ist eine Duldung?

Ist das Asylverfahren endgültig entschieden und der Asylantrag insgesamt abgelehnt, dann erlischt ab diesem Zeitpunkt die Gestattung des Aufenthalts (§ 67 AsylG). Danach geschieht Folgendes:

Welche Pflichten hat die Ausländerbehörde im Falle einer Abschiebung?

Die Ausländerbehörde muss vor einer Abschiebung einen Heimatpass oder zumindest ein Rückkehrvisum des Herkunftslandes der geflüchteten Person beschaffen. Denn es ist völkerrechtlich unzulässig, eine geflüchtete Person abzuschieben, ohne dass vor der Abschiebung geklärt ist, welches Land sie aufnimmt. Daher muss die Ausländerbehörde – ausgehend von den Erkenntnissen aus dem Asylverfahren – versuchen, bei einem Land die Übernahme der Person zu erreichen. Solange dies nicht erreicht werden konnte, hat der/die Geflüchtete einen Anspruch auf Verlängerung der Duldung.

Welche Mitwirkungspflichten hat die geflüchtete Person im Falle einer Abschiebung?

Der/die Geflüchtete unterliegt Mitwirkungspflichten bei der Vorbereitung seiner Abschiebung. Die Person muss insbesondere bei der Beschaffung von Identitätsnachweisen helfen, indem diese zum Beispiel Formulare der Heimatbotschaft auf Beantragung eines Passes oder Passersatzpapieres ausfüllt oder auch an persönlichen Terminen in der Heimatbotschaft teilnimmt.

Wichtig! Weigert sich die geflüchtete Person, in der beschriebenen Weise mitzuwirken, kann dies Strafmaßnahmen wie die Kürzung oder Einstellung von Sozialleistungen, die Verhängung eines Beschäftigungsverbotes oder sogar Abschiebungshaft gemäß der neuen Regelungen der §§ 62, 62b AufenthG zur Folge haben.  

Unter welchen Umständen liegt ein Abschiebungsschutz gegenüber der Ausländerbehörde vor?

Es gibt zwei Möglichkeiten, die einen Abschiebungsschutz wirksam machen:      

  • Familiäre Abschiebungshindernisse:
    Die Ausländerbehörde hat bei der Vorbereitung der Abschiebung von Amts wegen zu prüfen, ob es familiäre Bindungen der geflüchteten Person in Deutschland gibt, aus denen sich ein rechtliches Abschiebungshindernis ableitet. Artikel 6 I GG sowie Artikel 8 I EMRK gewährleisten auch einem abgelehnten Flüchtling einen grund- und menschenrechtlichen Schutz der Einheit der Familie. Hat der/die Geflüchtete etwa während seines Aufenthaltes geheiratet und hat die Ehepartner*in ein Bleiberecht in Deutschland oder ist sogar deutsche*r oder EU-Staatsangehörige*r, dann kann sich daraus ein rechtlicher Duldungsgrund gemäß § 60a II AufenthG ergeben. Das hat zur Folge, dass die geflüchtete Person geduldet werden muss, obwohl der Asylantrag abgelehnt wurde. 
  • Medizinische Abschiebungshindernisse
    Aus dem Grundrecht auf Leben sowie Schutz der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 II Satz 1 GG) und dem absoluten Schutz der Menschenwürde (Artikel 1 I GG) folgt, dass die Ausländerbehörde in jedem Verfahrensstadium, also vor und während einer Abschiebung, eventuelle medizinische Abschiebungshindernisse zu beachten hat. Eine medizinisch begründete Reiseunfähigkeit stellt ebenfalls ein rechtliches Abschiebungshindernis dar und damit einen Duldungsgrund gemäß § 60a II AufenthG.

Wichtig! Die geflüchtete Person hat die Pflicht, die Ausländerbehörde unverzüglich über Krankheiten, die unter Umständen einer Abschiebung entgegenstehen könnten, durch Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attestes zu informieren (§ 60a II c) und d) AufenthG). Denn nach dem Gesetz besteht erst einmal die Vermutung, dass einer Abschiebung keine gesundheitlichen Gründe entgegenstehen (§ 60a II c) Satz 1 AufenthG). Im Zweifel hat die Ausländerbehörde den Amtsarzt heranzuziehen.

Unter welchen Umständen kann es eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis für Langzeitgeduldete geben?

In Deutschland leben Tausende von Geflüchtete mit einer Duldung, teilweise über Jahre hinweg. Der Gesetzgeber hat eine Reihe von gesetzlichen Möglichkeiten geschaffen, durch die geduldete Geflüchtete eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis erhalten können.  

Zu § 25b AufenthG

Folgende Voraussetzungen müssen von einem/einer Geflüchteten in diesem Zusammenhang erfüllt werden:

  1. Seit mindestens acht Jahren oder, falls die Person zusammen mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochener geduldeter, gestatteter oder erlaubter Aufenthalt,
  2. Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland,
  3. überwiegende Sicherung des Lebensunterhaltes durch Erwerbstätigkeit oder die Erwartung, dass bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation der Lebensunterhalt gesichert werden wird, wobei der Bezug von Wohngeld keine negativen Auswirkungen hat,
  4. hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2,
  5. bei Kindern im schulpflichtigen Alter der Nachweis über deren tatsächlichen Schulbesuch.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird abgelehnt, wenn die geflüchtete Person zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung die Aufenthaltsbeendigung durch vorsätzlich falsche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder bei Nichterfüllung seiner Mitteilungspflicht (insbesondere Passbeschaffung) verhindert oder verzögert. Wer jedoch alle Voraussetzungen des § 25b AufenthG erfüllt und einen gültigen Pass vorlegt, bekommt die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG, selbst wenn sich herausstellt, dass der- oder diejenige zuvor widersprüchliche Angaben zur Identität gemacht hat.   

Was sind Härtefallkommissionen und wie können sie angerufen werden?

Bei Härtefallkommissionen handelt es sich um Gremien, die je zur Hälfte mit Beamt*innen des jeweiligen Landes und mit Vertreter*innen von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Flüchtlingsräten und Menschenrechtsorganisationen besetzt sind.

Ausreisepflichtige Geflüchtete, denen nach dem AufenthG kein Aufenthaltsrecht zukommt, können sich schriftlich an diese Komnissionen wenden. Dabei bitten sie um Prüfung und, wenn das Anliegen unterstützt werden soll, darum, ein sogenanntes Härtefallersuchen an die für den/die Geflüchteten zuständige Ausländerbehörde zu richten mit dem Inhalt, der geflüchteten Person eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23a AufenthG zu erteilen. Die Ausländerbehörde ist aber nicht an das Ersuchen gebunden, kann also trotz einer Unterstützung durch die Kommission ablehnen, dem Flüchtling eine solche Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. 

Es besteht kein Rechtsanspruch darauf, dass sich die Kommission mit der Eingabe befasst, weswegen Entscheidungen der Kommission nicht öffentlich getroffen werden, nicht schriftlich begründet werden und auch keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegen.

Wichtig! Ein Härtefallersuchen ist insbesondere dann erfolgsversprechend, wenn besondere Integrationsleistungen im Einzelfall vorliegen und Unterstützung durch die Zivilgesellschaft vor Ort vorhanden ist und formuliert wird.


Sie haben nun das mögliche Vorgehen nach der endgültigen Ablehnung des Asylantrages kennengelernt. Was können Sie als Hintergrundinformation für Ihre ehrenamtliche Tätigkeit mitnehmen?
► Ist der Asylantrag endgültig abgelehnt, dann erlischt die Gestattung des Aufenthaltes. Die betroffene Person ist vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ausländerbehörde zieht die Aufenthaltsgestattung ein und stellt eine Duldungsbescheinigung aus.
► Wenn die geflüchtete Person gegenüber der Ausländerbehörde erklärt, dass er/sie nicht „freiwillig“ ausreisen will, dann ist die Ausländerbehörde gesetzlich verpflichtet, die Abschiebung der betroffenen Person zu organisieren. Die geflüchtete Person ist gesetzlich verpflichtet, an der Vorbereitung der Abschiebung mitzuwirken, also insbesondere bei Botschaften vorzusprechen, Formulare auszufüllen und so fort. Bei Weigerung können Leistungen nach dem AsylbLG gekürzt werden.
► Vor der Durchführung der Abschiebung muss die Ausländerbehörde prüfen, ob einer Abschiebung im Einzelfall eventuell familiäre oder medizinische Abschiebungshindernisse entgegenstehen. Die geflüchtete Person hat eine gesetzliche Pflicht, die Behörde auf medizinische Abschiebungshindernisse (Reiseunfähigkeit) durch fachärztliche Atteste gegebenenfalls hinzuweisen.
► Geflüchtete mit Duldungen können trotz bestehender Ausreisepflicht versuchen, eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis zu erlangen. Dafür gibt es im Aufenthaltsgesetz verschiedene gesetzliche Möglichkeiten (§§ 23a, 25 V, 25a, 25b AufenthG), auf die ein solcher Antrag gestützt werden kann.


Autorenbild

Jens Dieckmann ist Rechtsanwalt bei Becher&Dieckmann – Rechtsanwälte in Bonn und seit 1996 als Rechtsanwalt bundesweit im gesamten Bereich des Asyl- und Ausländerrechts sowie als Strafverteidiger tätig. Er ist Mitglied der Rechtsberaterkonferenz der freien Wohlfahrtsverbände und des UNHCR in Flüchtlingsfragen sowie Mitglied des Bonner Anwaltvereins, der AG Migrationsrecht, der AG Strafrecht und der AG Internationales Wirtschaftsrecht des Deutschen Anwaltvereins und im Beirat der Refugee Law Clinic (RLC) der Universität Köln und des Dachverbandes der RLC Deutschland und Mitglied der Fachkommission Asyl beim Bundesvorstand von Amnesty International, Deutschland. Zudem hält er bundesweit Vorträge im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts sowie des Völkerstrafrechts. Seit 2003 wurde und wird er wiederholt berufen als Verteidiger, Zeugenbeistand und Opferanwalt am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag (NL).

Foto: © überaus.de/Klaas Sydow 

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