Lese- und Schreibschwierigkeiten erkennen

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In dieser Lektion lernen Sie, welche Anzeichen es für Lese- und Schreibschwierigkeiten geben kann. Das Erkennen dieser Hinweise ist ein wichtiger erster Schritt, um betroffene Personen sensibel ansprechen und unterstützen zu können.

Alltägliche Herausforderungen

Wenn Sie die Lektion Was haben Sie heute schon gelesen? kennen, konnten Sie sich bereits ein Bild davon machen, welche Hürden Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten im beruflichen und privaten Alltag überwinden müssen. Vielleicht haben Sie bei der Übung Selbsterfahrung Lesen auch einmal selbst getestet, wie es sich anfühlt, einen Text nicht richtig entziffern zu können.

Der folgende Film verdeutlicht, in wie vielen Alltagssituationen Personen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten vor Herausforderungen stehen:

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https://www.youtube.com/watch?v=MLgcoP9GjzM

In dieser Lektion lernen Sie, welche Hinweise es für Lese- und Schreibschwierigkeiten geben kann. Das Erkennen dieser Schwierigkeiten ist der erste wichtige Schritt, um Personen auf dem Weg zum (erneuten) Lesen- und Schreibenlernen zu begleiten. Dabei nehmen Sie als ehrenamtlich engagierte Person eine wichtige Rolle ein.

Anzeichen im Handeln erkennen


Während einige Personen offen und selbstbewusst mit ihren Schwierigkeiten umgehen, sind fehlende Lese- und Schreibfähigkeiten für andere ein stark emotionales Thema, welches möglicherweise schwierige schulische Erinnerungen hervorruft und von Scham oder Stigmatisierung geprägt sein kann.

Manche versuchen daher, ihre Schwierigkeiten vor dem Umfeld zu verbergen – teilweise sogar im privaten Bereich beispielsweise vor dem eigenen Partner oder engsten Freund*innen. Es gibt verschiedene Strategien, dies auch über lange Zeit aufrecht zu erhalten. Die meisten dieser Strategien lassen sich in die Kategorien „Vermeiden“, „Herausreden“ und „Delegieren“ einordnen.

Für Sie als ehrenamtlich engagierte Person ist das Erkennen dieser Strategien besonders wichtig, denn nur so können Schwierigkeiten gezielt und sensibel angesprochen werden.

Lesen Sie die folgenden Szenarien und überlegen Sie, welche Strategie sich dahinter verbirgt.

Tim wird von seinem Freund Mo zum Bürgeramt begleitet. Als Tim ein Formular ausfüllen muss, schiebt er Mo unauffällig das Blatt hin. Dieser greift zum Stift.
Sarah soll auf der Arbeit an einer für sie wichtigen Fortbildung teilnehmen. Sie lehnt diese zum wiederholten Mal ohne plausible Erklärung ab.
Klaus sitzt beim Arzt und soll einen Anamnesebogen ausfüllen. Er steckt ihn sich in die Tasche und sagt „Das fülle ich lieber zuhause in Ruhe aus.“

Im folgenden Abschnitt werden diese Strategien noch einmal ausführlich erläutert.

Es handelt sich dabei nicht um eine Checkliste, sondern um die Beschreibung von Handlungsweisen, die Ihnen als Hinweis dienen können. Die Aufzählung greift auf Erfahrungen von Beratungspersonen zurück – die genannten Hinweise können jedoch auch auf andere Ursachen zurückgehen. Bitte bedenken Sie, dass die Aufzählung nicht abschließend ist.

Vermeiden

Die betroffenen Personen vermeiden Situationen, in denen sie mit schriftsprachlichen Anforderungen konfrontiert werden könnten. Hinweise dafür können z.B. sein:

  • Schriftlich zu erbringende Unterlagen werden nicht eingereicht. Briefe bleiben unbeantwortet.
  • Fortbildungen und Schulungen werden abgelehnt bzw. nicht besucht.
  • Die Übernahme anderer Tätigkeiten wird abgelehnt. Beförderungen werden abgelehnt.
  • Elternabende, Versammlungen oder gemeinsame Aktivitäten in der Kita oder Schule werden nicht besucht.
  • Aushänge und Hinweiszettel werden nicht beachtet, beispielsweise, dass die Kita wegen einer Fortbildung früher schließt.
  • Auf Einladungen von Jobcentern, Ämtern und Ärzt*innen wird nicht reagiert.

Herausreden

Sind Betroffene in einer Situation, in der sie lesen oder schreiben müssen, versuchen sie, über ihre Schwierigkeiten hinwegzutäuschen. Aussagen können sein:

  • „Ich habe meine Brille vergessen.“
  • „Ich habe meine Hand verletzt.“
  • „Das fülle ich lieber zuhause in Ruhe aus.“
  • „Das muss ich erst mit meiner Frau / mit meinem Mann besprechen.“

Delegieren

Personen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten haben häufig zumindest eine Vertrauensperson in ihrem Umfeld, die sie bei Schreibanlässen unterstützt. Solche Personen können Ehepartner*innen, ältere Kinder, Freund*innen oder Kolleg*innen sein. Teilweise werden Aufgaben auch an Fremde delegiert. Anzeichen und Aussagen können sein:

  • Das Formular wird mit nach Hause genommen und ausgefüllt zurückgebracht.
  • Mitbringen einer Begleitperson, die das Schreiben übernimmt.
  • „Bevor ich das jetzt alles lese, sagen Sie mir doch, worum es geht.“
  • Betroffene zeigen im Empfangsbereich des Jobcenters, des Amtes, der Arztpraxis den Brief oder die Einladung und fragen, wo sie hinmüssen.

Selbsterfahrung Schreiben

Neben den oben genannten Hinweisen kann es auch andere Anzeichen geben, die auf Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben hinweisen können. Um dies zu verdeutlichen, starten wir einen Selbstversuch:

Nehmen Sie sich ein Blatt Papier. Versuchen Sie, die folgenden Sätze mit der jeweils ungeübten Hand aufzuschreiben. Wenn Sie zum Beispiel Rechtshänder*in sind, versuchen Sie, mit der linken Hand zu schreiben und umgekehrt.

Beobachten Sie dabei Ihre Gefühle. Stellen Sie sich vor, eine andere Person beobachtet Sie dabei oder machen Sie diese Übung, wenn möglich, mit einer anderen Person und wechseln Sie sich ab.

Frau Meyer hat für Sie angerufen. Sie bittet um einen Rückruf.

Was war für Sie besonders schwierig? Wie haben Sie sich gefühlt? Fanden Sie die Aufgabe anspruchsvoll oder mühsam? Sehen Sie Bezugspunkte zur Situation von Erwachsenen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten? Diskutieren Sie in der Kommentarspalte!

Anzeichen beim Schreiben und Sprechen erkennen


Die Übung Selbsterfahrung Schreiben zeigt, dass auch vor und beim Schreiben Schwierigkeiten deutlich werden können.

Mögliche Anzeichen beim Schreiben können sein:

  • auffällig langsames oder hastiges Schreib-Tempo
  • verkrampfte Arm- und Stifthaltung
  • ungeübtes Schriftbild
  • Vertauschen von Buchstaben und Satzzeichen
  • häufiges Durchstreichen bzw. neu schreiben
  • sichtbare Angespanntheit und Unsicherheit
  • Unterschriften werden eher gemalt als geschrieben oder nur „gekritzelt“.
  • Die Unterschrift eines mitgebrachten Formulars stimmt nicht mit dem Schriftbild der restlichen Angaben überein.
  • Wörter werden geschrieben, wie sie gehört werden.

Zusätzlich können auch Probleme beim Sprechen auf mögliche Lese- und Schreibschwierigkeiten hinweisen.

Mögliche Anzeichen in der mündlichen Sprache können sein:

  • grammatikalisch falsche Sätze (trotz Deutschkenntnissen)
  • undeutliche Aussprache
  • eingeschränkter Wortschatz und kurze Sätze
  • Schwierigkeiten mit chronologischen Abfolgen beim Erzählen
Autorenbild

Die Inhalte dieser Lektion sind im Deutschen Volkshochschul-Verband e.V. im Rahmen des Projekts AQUA entstanden und wurden für Sie redaktionell überarbeitet und ergänzt vom Redaktionsteam des vhs-Ehrenamtsportals.

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