Formen des politischen und religiösen Extremismus – Ein Einblick

Zu den KommentarencommentsSVG

Die Formen des politischen und religiösen Extremismus stellen Ideologien der Ungleichwertigkeit dar. Sie bewerten Menschen anhand bestimmter Merkmale und befürworten die Diskriminierung bestimmter Personengruppen. Was bedeutet der Begriff „Extremismus“ und wie lassen sich die Formen unterscheiden?

Photo by samer daboul from Pexels

Was ist Extremismus?

Der Begriff Extremismus wird in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet, weshalb eine Einordnung in den sachlichen Kontext der jeweiligen Diskussion unverzichtbar ist. Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet extremus „das Äußerste“. Weitere mögliche Übersetzungen sind „das Entfernteste“, „das Ärgste“ oder „das Schlechteste“.   

Werden politische Einstellungen und Verhaltensweisen mit Hilfe des Extremismusbegriffs unterschieden, ist meist die extreme Rechte oder die extreme Linke gemeint. 

Expert*innen aus den Sozialwissenschaften verweigern laut Prof. Richard Stöss jedoch die Übernahme des Begriffs, da diese einseitige Rechts-/Links-Einteilung inklusive der den jeweiligen Seiten zugeschriebenen Einstellungen und Verhaltensweisen nur zur Verbreitung von Stereotypen beitrage. Sie verweisen auf die Vielfalt heutiger Lebensformen und die Komplexität der Realität und warnen davor, Schwarz-Weiß-Bilder zu verbreiten. 

Neben den politischen Formen des Extremismus erhält der religiöse Extremismus aufgrund eines Anwachsens islamistischer Gruppierungen und erfolgter terroristischer Anschläge verstärkt öffentliche Aufmerksamkeit. Der religiöse Extremismus in Form des Islamismus lehnt, ähnlich der linksextremistischen und rechtsextremistischen Ideologie, die Demokratie als politisches System ab.
 

Unterscheidung der Begriffe „Extremismus“ und „Radikalismus“

 „Als extremistisch werden die Bestrebungen bezeichnet, die gegen den Kernbestand unserer Verfassung – die freiheitliche demokratische Grundordnung – gerichtet sind. Über den Begriff des Extremismus besteht oft Unklarheit. Zu Unrecht wird er häufig mit Radikalismus gleichgesetzt. So sind z. B. Kapitalismuskritiker, die grundsätzliche Zweifel an der Struktur unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund auf verändern wollen, noch keine Extremisten. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. Auch wer seine radikalen Zielvorstellungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird; jedenfalls nicht, solange er die Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung anerkennt.“  (Quelle: https://www.verfassungsschutz.de/de/service/faq)  

   

Radikale Auffassungen sind demnach Teil gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. So wurden z.B. Befürworter des Frauenwahlrechts als radikal bezeichnet. Die Anwendung von Gewalt und die Ablehnung der demokratischen Prozesse hingegen sind extremistischen Einstellungen und Verhaltensweisen zuzuordnen.

Gemeinsamkeiten zwischen politischem und religiösem Extremismus

Trotz einer unterschiedlichen Ausrichtung bestehen Gemeinsamkeiten zwischen der rechtsextremistischen, linksextremistischen und islamistischen/salafistischen Ideologie. So ist allen drei Formen trotz der völlig unterschiedlichen Utopien („homogene Volksgemeinschaft“ versus „klassenlose Gesellschaft“ versus „Gottesstaat“) eine grundlegende Ablehnung der demokratischen Grundordnung gemein.
 

Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen den Formen des politischen und religiösen Extremismus. Zwei der folgenden Aussagen werden nicht von allen drei Formen des Extremismus vertreten. Welche?

Alle drei Formen des Extremismus …

Der Wunsch nach Veränderung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsform

Rechtsextremismus 

Der Begriff Rechtsextremismus ist als „Sammelbegriff für Einstellungen, Handlungen und unterschiedliche politische Strömungen [zu verstehen], deren verbindendes Element Ungleichwertigkeitsvorstellungen sind und deren Ziel es ist, demokratische Prozesse und die grundgesetzlich geschützten Rechte von Minderheiten abzuschaffen“. (Quelle: Zum Umgang mit dem Extremismusbegriff in der Praxis Mobiler Beratung. Hier verfügbar. 


Rechtsextreme verfolgen eine Ideologie der Ungleichwertigkeit. Dies bedeutet, dass sie Menschen je nach Zugehörigkeit zu ethnischen, sozialen, religiösen und sexuellen Gruppen und Orientierung als ungleichwertig ansehen. Zentraler Bestandteil der rechtsextremistischen Ideologie ist das stetige politische Anliegen, die Bundesrepublik Deutschland in ein diktatorisch geführtes Deutsches Reich nach Vorbild des NS-Staats umzuwandeln.


pixabay.com

Linksextremismus 

Anhänger*innen des Linksextremismus wollen die geltende demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung durch ein kommunistisches oder anarchistisches System ersetzen. Es wird versucht, dieses Ziel durch offene politische Meinungsmache sowie teilweise auch schwere Gewalttaten umzusetzen. Aktionen des linksextremistischen Spektrums richten sich vornehmlich gegen den Staat und die Polizei. Diesen wird vorgeworfen, das Gewaltmonopol zur Sicherung der eigenen Macht zu missbrauchen. Polizeikräfte werden als Repräsentant*innen des politischen Systems betrachtet. 


Islamismus, Salafismus, Dschihadismus 

Islamismus ist nicht gleich Islam! Beim Islamismus handelt es sich um eine fundamentalistische Strömung des Islams, dessen Ziel es ist, ein islamisches Gesellschaftssystem zu errichten. Sobald die islamische Religion mit politischen Zielen verbunden wird, kann von Islamismus gesprochen werden. Dies bedeutet keinesfalls, dass Gewalt von allen muslimischen Personen befürwortet wird. Personen, die der islamistischen Ideologie folgen, leiten ihre Werte und Normen aus den ursprünglichen Worten des Propheten Mohammeds und dem Koran ab. Eine Anpassung der Überlieferungen an die heutige Zeit ist dabei nicht erlaubt. Die Strömungen Salafismus und Dschihadismus sind fundamentalistische Strömungen innerhalb des sunnitischen Islams.   

Salafismus, übersetzt aus dem arabischen Wort ‚Sala fas-Salah‘, bedeutet „die Altvorderen“. Innerhalb dieser Strömung können wiederum weitere Unterscheidungen vorgenommen werden. Anhänger*innen des puristischen Salafismus wollen im privaten Raum ihre Religion ausleben und haben keine politischen Ambitionen. Der politische Salafismus möchte die Gesellschaft und die staatliche Ordnung nach islamistischen Vorstellungen umgestalten. Allerdings wird Gewalt abgelehnt.   

Anhänger*innen des Dschihadismus setzen Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele ein.   
Achtung: Diese Darstellung der einzelnen Strömungen ist eine idealtypische Unterscheidung. Die Übergänge sind als fließend zu betrachten. 
 

Problematische Aspekte extremistischer Einstellungen und Verhaltensweisen
Unter anderem sind folgende Aspekte extremistischer Ideologien problematisch:
► Legitimierung von Gewalt zur Zielerreichung
► Ablehnung der Demokratie als politisches System
► Exklusiver Wahrheitsanspruch – keine anderen Perspektiven, Lebensformen und/oder Standpunkte sind erlaubt
► Propagieren der Ungleichwertigkeit von Menschen – Abwertung von Personen(gruppen) aufgrund kultureller, religiöser, sozialer und/oder politischer Eigenschaften
► Dualistisches Weltbild (z.B. Wir-Ihr-Gegensätze oder Schwarz-Weiß-Bilder)
► Ganzheitliche Steuerungsabsichten – Strukturierung der gesellschaftlichen und politischen Lebenswelten durch die Ideologie
Diese Aspekte finden sich sowohl im Rechtsextremismus und Linksextremismus als auch im Islamismus wieder.   

Weiterführendes Material

Weitere Hintergrundinformationen sowie interessante Materialien für die Praxis können Sie dem „Dossier Rechtsextremismus“ und dem „Dossier Linksextremismus“ entnehmen. Hier werden unter anderem die Fragen diskutiert, wie mit rechtsextremen Personen umgegangen werden kann und welche Akteure, Gruppen und Strömungen innerhalb der linksextremistischen Szene existieren.

Der Infodienst Radikalisierungsprävention gibt Anregungen für die pädagogische Praxis in Schulen und vermittelt Anlaufstellen bei Radikalisierungsprozessen hin zum Islamismus. Alle drei Angebote finden Sie auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung.  

Stöss, Prof. Dr. Richard (2015): Kritische Anmerkungen zur Verwendung des Extremismuskonzepts in den Sozialwissenschaften.    


Autorenbild

Adriane Schmeil hat in ihrer Masterarbeit zum Thema "Prävention und Deradikalisierung im Kontext des Islamismus" die Arbeit des Programms Wegweiser in NRW anhand qualitativer Befragungen der Berater*innen analysiert. Derzeit arbeitet sie als Referentin im Projekt "Prävention und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" (PGZ) des Deutschen Volkshochschul-Verbands. 

license info