Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt

Zu den KommentarencommentsSVG

Das AGG schützt vor Diskriminierung im Bereich Wohnen und Mieten vor allem das Merkmal der ethnischen Herkunft. Dabei ist nicht nur das Mietverhältnis geschützt, sondern auch die Suche und Bewerbung um eine Wohnung sowie die Kündigung des Mietverhältnisses. Finden Sie in der folgenden Lerneinheit heraus, wie sich Betroffene gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt wehren können.

Bild: pixabay.com/JHertle

Diskriminierungsschutz im Bereich Wohnen und Mieten

Ein Mietvertrag ist ein zivilrechtliches Schuldverhältnis. In § 19 AGG ist das allgemeine Diskriminierungsverbot im Zivilrechtsverkehr geregelt. Somit schützt das AGG Menschen auch vor Diskriminierung im Bereich Wohnen und Mieten. Der Diskriminierungsschutz erstreckt sich über die Anmietung, das Mietverhältnis selbst sowie über die Kündigung. Dabei ist die betroffene Person nicht nur vor Ungleichbehandlung, sondern auch vor Schlechterstellung geschützt.  

Es ist nicht jedes Diskriminierungsmerkmal gleich stark geschützt. Den höchsten Schutz im Bereich Wohnen und Mieten hat das Merkmal der ethnischen Herkunft. Aus diesem Grund bezieht sich diese Lektion ausschließlich auf dieses Merkmal.   


Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) § 19 Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot    
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die  1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder 2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, ist unzulässig.   
(2) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 unzulässig.   
(3) Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig.   
(4) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung auf familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse.   
(5) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung auf zivilrechtliche Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird. Bei Mietverhältnissen kann dies insbesondere der Fall sein, wenn die Parteien oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen. Die Vermietung von Wohnraum zum nicht nur vorübergehenden Gebrauch ist in der Regel kein Geschäft im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1, wenn der Vermieter insgesamt nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet.  

Suche und Bewerbung um eine Wohnung

Immer wieder trifft man auf diskriminierende Wohnungsanzeigen mit Formulierungen dieser und ähnlicher Art: „Wir vermieten nicht an Ausländer." oder „Keine Flüchtlinge!". Die Angabe solcher Informationen ist unmittelbar diskriminierend und verstößt klar gegen das AGG.

Häufiger als zur rassistischen Diskriminierung kommt es jedoch zur mittelbaren Diskriminierung. Dies bedeutet, dass entweder keine Angaben gemacht werden, warum man die Wohnung nicht bekommen hat oder auf vermeintlich objektive Kriterien verwiesen wird, die keine sachliche Begründung enthalten.  

Wenn ein*e Interessent*in mit einem ausländisch klingenden Namen einen Besichtigungstermin für eine Wohnung vereinbaren will und ihm gesagt wird, dass die Wohnung schon vergeben ist, diese jedoch weiter angeboten wird, kann dies ein Indiz für mittelbare Diskriminierung sein. Betroffene können in solchen Diskriminierungsfällen Schadensersatz verlangen! Ebenso kann es bei der Wohnungsbesichtigung zu Diskriminierung kommen.   

Fallbeispiel: Das Oberlandesgericht Köln hat wegen unmittelbarer Diskriminierung einen Wohnungsverwalter verurteilt, an ein Ehepaar Schadensersatz in Höhe von jeweils 2.500,- Euro zu bezahlen, weil eine Mitarbeiterin des Verwalters die Kläger anlässlich einer Wohnungsbesichtigung abgewiesen und dabei erklärt hatte: „Die Wohnung wird nicht an Neger, äh ... Schwarzafrikaner und Türken vermietet."    

Häufiger wird bei der Wohnungsbesichtigung mittelbar diskriminiert. Dabei werden meist Aussagen getroffen wie die, dass der/die Vermieter*in an einer langen Verweildauer der Mieter*innen interessiert sei und somit nur an Menschen vermiete, deren Aufenthaltstitel länger als 3 Jahre gilt. Dabei ist objektiv gesehen das Interesse des Vermieters berechtigt, jedoch benachteiligt es sachlich nur eine Gruppe, da sich in der Regel keiner der anderen Bewerber*innen verpflichtet, die Wohnung länger zu mieten. Ein befristeter Aufenthaltstitel bedeutet zudem nicht, dass man die Wohnung nicht länger beziehen kann, da der Titel immer wieder verlängert werden kann. Daher erfüllt diese Aussage nicht das Interesse von Vermieter*innen, vielmehr zielt sie darauf ab, eine Gruppe auszuschließen. Somit handelt es sich bei solchen Aussagen meist um mittelbare Diskriminierung.    

Ungleichbehandlung von Mieter*innen

Die häufigste Art der unmittelbaren Diskriminierung im Mietverhältnis geht von Nachbar*innen aus. Hierbei haben Vermieter*innen, wenn sie nichts gegen die Diskriminierung unternehmen, in der Regel Nebenpflichten, die sich aus dem Mietverhältnis ergeben. In solchen Fällen sollten Betroffene sich direkt an Beratungsstellen wenden. Ebenso kann eine unmittelbare Schlechterstellung vom Vermieter ausgehen, wenn zum Beispiel nur die „deutschen Familien“ den Garten nutzen dürfen.    

Ein Beispiel für mittelbare Diskriminierung von Vermieter*innen ist, wenn von der Mieterhöhung nur Bewohner*innen betroffen sind, die eine vermeintlich andere ethnische Herkunft haben.  

Fallbeispiel: Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat in so einem Fall einem türkischen Ehepaar wegen diskriminierender Benachteiligungen in einem bestehenden Mietverhältnis eine Entschädigung in Höhe von jeweils 15.000,- Euro zugesprochen, weil der Vermieter nur bei den türkischstämmigen Bewohner*innen die Miete erhöht hat.        


Anweisung zur Benachteiligung

Wenn z.B. ein*e Makler*in die Anweisung erhält, dass keine Ausländer*innen einziehen sollen, oder wenn ein*e Hausmeister*in die Anweisung erhält, dass bei den Ausländer*innen im Haus erst etwas repariert werden soll, wenn diese sich schriftlich beschweren, handelt es sich um eine Diskriminierung, für die sich ein*e Vermieter*in verantworten muss, unabhängig davon, ob der oder die Angewiesene diese Handlung auch ausführt.   

Kündigung eines Mietverhältnisses

Fallbeispiel: Wenn ein*e Vermieter*in bei einem Nachbarschaftsstreit ohne den Grund zu erforschen, der/dem Mieter*in mit anderer ethnischer Herkunft kündigt, um den Hausfrieden zu wahren, kann es sich um ein Indiz der mittelbaren Diskriminierung handeln, da der/die Vermieter*in das objektive Interesse des Hausfriedens herstellen will, jedoch die sachliche Begründung fehlt. 


Der/Die Vermieter*in hat nicht überprüft, warum der Hausfrieden gestört ist, sondern aufgrund anderer Kriterien die Kündigung ausgesprochen.   

Besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis

Wenn der/die Vermieter*in oder ihre/seine Angehörigen im selben Haus oder auf demselben Grundstück wohnen, besteht ein besonderes Näheverhältnis, was ein Ausschlusskriterium für die Rechte nach dem AGG darstellt. Wenn so ein besonderes Näheverhältnis vorhanden ist, können keine Ansprüche wegen Diskriminierung geltend gemacht werden! 

Dabei zählen als Angehörige nicht alle mit dem/der Vermieter*in verwandte Personen, sondern nur Enge dem Familienbegriff nach dem BGB zuzuordnende Personen: Eltern, Kinder und Geschwister sowie Schwiegereltern, Enkelkinder und Großeltern. 

Ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht auch dann, wenn die Wohnung an Dienstleistungen geknüpft ist, wie z.B. die Pflege von Angehörigen oder wenn die Haushaltshilfe Zugang zur Wohnung der/des Vermieter*in hat. Dies ist dann, wie das besondere Näheverhältnis, ein Ausschlusskriterium für die Rechte nach dem AGG.

Voraussetzungen für den Anspruch auf Schadensersatz, Entschädigung oder Unterlassung

Wenn eine Person von Diskriminierung betroffen ist, kann Sie nicht auf Abschluss eines Mietvertrags klagen. Jedoch kann sie nach dem AGG in folgenden Situationen Schadensersatz, Entschädigung oder Unterlassung fordern …  

Was können Ehrenamtliche tun?

Sprechen Sie mit den Betroffenen über ihre Erlebnisse und Eindrücke. Machen Sie sie darauf aufmerksam, dass sie bestimmte Rechte haben und gegen Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorgehen können.    

Achten Sie aber unbedingt darauf, was die Betroffenen möchten und brauchen und bedenken Sie die Handlungsstrategie! Welche Veränderung wünscht sich die betroffene Person? Welche Unterstützung benötigt die betroffene Person, damit die Veränderung eintreten kann?   

Treffen Sie gemeinsam eine bewusste Entscheidung, die in die Lebenssituation der betroffenen Person passt. Denn wer Diskriminierung benennt, löst Abwehrreaktionen aus. Daher sollte unbedingt im Vorhinein überlegt werden, welche Reaktionen auf die Aktion zu erwarten sind.   

Denn Achtung, 

  • Gefühle und Wahrnehmungen könnten in Frage gestellt und relativiert werden, 
  • Beschwerden pauschal abgewehrt und  
  • Nachfragen gänzlich ignoriert werden. 

So könnte es schlimmstenfalls auch zur Verschärfung der ursprünglichen Situation kommen. 


pixabay.com

Erlebnisse und Situationen protokollieren

Unabhängig davon, ob die betroffene Person am Ende tatsächlich gegen die Diskriminierung vorgehen möchte oder nicht, ist es ratsam, die Erlebnisse schriftlich festzuhalten. 

1) Fertigen sie ein Gedächtnisprotokoll an!  

  • Was ist geschehen?  
  • Wann? 
  • Wer hat was gesagt?  
  • Wer war beteiligt? 
  • Welche Hinweise gibt es auf Diskriminierung?  
  • Wer war sonst dabei?  

 2) Sammeln Sie Indizien! 

Gemäß § 22 AGG reichen im Streitfall Indizien für eine Diskriminierung aus, dann muss der bzw. die Beschuldigte beweisen, dass es sich nicht um Diskriminierung handelt (Beweislast).     

Indizien sind im Sinne des AGG Situationen oder Handlungen, die mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ passiert sind. Indizien, die eine Diskriminierung vermuten lassen:
► Dokumente wie Wohnungsanzeigen
► Gedächtnisprotokolle über Telefonate
► E-Mails
► Gedächtnisprotokoll über die Besichtigung
► Zeugen, die auch bei der Besichtigung waren
► Mietvertrag, ebenso Mietverträge anderer Parteien im Wohnhaus
► Testing-Verfahren* (diese am besten mit einer Beratungsstelle durchführen)     


Info:  Testing-Verfahren  

Beim Testing-Verfahren wird z.B. eine Vergleichsperson eingesetzt, um zu überprüfen, ob ein Verhalten des/der Vermieter*in gegenüber einer Person, bei der eine andere ethnische Herkunft vorliegt, gleich ist. Wenn der/die Vermieter*in sich gegenüber der Vergleichsperson anders verhält, kann dies ein Indiz für das Vorliegen einer Diskriminierung sein.    

Fallbeispiel: Wenn sich eine Person mit “nicht-deutsch” klingendem Namen auf eine Wohnungsanzeige meldet und die Auskunft erhält, dass die Wohnung bereits vermietet sei, im Anschluss eine Person mit „deutsch“ klingendem Namen sich auf dieselbe Wohnungsanzeige meldet und ihr ein Besichtigungstermin angeboten wird, kann dies als Nachweis der Diskriminierung verwendet werden. 


Achtung: Testing-Verfahren, die gerichtlich haltbar sind, müssen jedoch weitere Kriterien erfüllen. Somit ist es ratsam, ein Testing-Verfahren nur gemeinsam mit Beratungsstellen durchzuführen.    

Weiterführende Informationen zum Testing-Verfahren finden Sie hier.  

Das AGG schützt Betroffene vor Benachteiligungen, sowohl bei der Wohnungssuche als auch in bestehenden Mietverhältnissen. Liegen die Voraussetzungen für Diskriminierung vor, können Betroffene Schadensersatz, Entschädigung und Unterlassung verlangen. Betroffene haben in aller Regel aber keinen Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrages.    

pixabay.com

Diskriminierung melden!

Melden Sie Diskriminierung, damit Diskriminierung sichtbar wird: Durch die anonyme Meldung auf der Plattform http://www.diskriminierung-melden.de/de ermöglichen Sie Antidiskriminierungsverbänden Statistiken zu erheben, die in der politischen Arbeit gegen Diskriminierung wirken können. 

Holen Sie sich Rat bei einer Beratungsstelle: Die bundesweite Suche nach Beratung ermöglicht die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auf ihrer Website. Initiativen und Fach- bzw. Beratungsstellen des paritätischen Wohlfahrtsverbandes in NRW finden Sie hier. 

Autorenbild

Matthias Zimoch, von Hause aus gelernter Sozialarbeiter und Sozialjurist (Master of Law in Sozialrecht). Er koordiniert die Servicestelle Antidiskriminierungsarbeit in Paderborn, deren Träger der Caritasverband Paderborn e.V. ist. Hierbei berät er Menschen, die Diskriminierung aufgrund der Ethnischen Herkunft und Religion erfahren haben und begleitet unterschiedliche Projekte zum Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung. Für das vhs-Ehrenamtsportal hat er drei Lektionen aus der Themenwelt „Rassismus und Diskriminierung erkennen und entgegen wirken“ konzipiert und verfasst.   

license info

commentsSVG Kommentare

commentsSVG

Welche Beispiele für Diskriminierung im Bereich Wohnen und Mieten haben Sie bereits miterlebt und wie sind Sie bzw. die Betroffenen damit umgegangen? Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit uns im Kommentarfeld am Ende der Seite!