Rechtliche Grundlage – Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

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Jeder Mensch ist einzigartig und damit anders. Dass man Menschen wegen ihrer Unterschiede nicht benachteiligen darf, bestimmt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Doch nicht jede unterschiedliche Behandlung ist auch diskriminierend. In dieser Lektion wollen wir erstmal die rechtliche Grundlage klären.

geralt via pixabay

Wen schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?

Jeder Mensch ist einzigartig und damit anders. Dass man Menschen wegen ihrer Unterschiede nicht benachteiligen darf, bestimmt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG. Das AGG schützt bei bestimmten Merkmalen und bei bestimmten Formen der Diskriminierung. Ebenso schützt das AGG in bestimmten Lebensbereichen, wie z.B. in der Arbeitswelt, im Bereich Wohnen und Mieten sowie bei sogenannten Massengeschäften. Das sind Geschäfte, die jedem zugänglich sind, wie die Buchung von Hotelzimmern, Fitnessstudioverträge, aber auch das Einkaufen in Supermärkten.      

Was ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)? Wie kann es helfen, wenn jemand Diskriminierung erlebt? Und wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes dabei unterstützen kann, zeigt dieser anschauliche Erklärfilm:  

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Die sechs geschützten Merkmale

Durch das AGG will der Gesetzgeber Benachteiligungen verhindern oder, wenn sie dennoch eintreten, beseitigen bzw. bestrafen. Allerdings verbietet das AGG nicht grundsätzlich die unterschiedliche Behandlung von Menschen. Unzulässig ist allein die Benachteiligung wegen eines der im AGG genannten Merkmale:

  • ethnische Herkunft 
  • Behinderung 
  • Geschlecht 
  • Alter 
  • Religion/Weltanschauung 
  • sexuelle Identität  

Das AGG schützt nur vor Benachteiligungen, die aufgrund eines oder mehrerer dieser sechs Merkmale geschehen. Bei Benachteiligungen wegen anderer Merkmale kann das AGG nicht angewendet werden.

Ethnische Herkunft

Das AGG versteht unter einer Ethnie eine abgrenzbare Gruppe von Menschen, die sich durch gemeinsame objektive Merkmale von anderen Gruppen unterscheidet. 

Die Merkmale einer solchen Gruppe können sein: 

  • gemeinsame Sprache 
  • gemeinsame Geschichte 
  • gemeinsame Religion 
  • gemeinsame Bräuche
  • gemeinsame Herkunft 
  • gemeinsame Kultur   
  • gemeinsames Erscheinungsbild  

Formen der Benachteiligung

Als Benachteiligung gilt eine Ungleichbehandlung eines Menschen aufgrund eines oder mehrerer der sechs durch das AGG geschützten Merkmale. Eine Ungleichbehandlung kann unterschiedlich ausfallen: Mal ist sie offensichtlich, mal geschieht sie im Verborgenen, weshalb das AGG zwischen folgenden Formen der Benachteiligung unterscheidet:  

  1. Unmittelbare Benachteiligung: Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person eine schlechtere Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Die Benachteiligung kann durch zielgerichtetes Handeln oder durch Unterlassung einer gebotenen Handlung erfolgen.
  2. Mittelbare Benachteiligung: Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Maßnahme oder eine Regelung, die scheinbar neutral ist, Angehörige einer Gruppe in besonderer Weise benachteiligt, ohne dass es hierfür einen sachlichen Grund gibt. 
  3. Mehrdimensionale Benachteiligung: Eine mehrdimensionale Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person nicht nur aufgrund eines, sondern aufgrund mehrerer Merkmale benachteiligt wird.     

Fallbeispiele

Um welche Form der Benachteiligung handelt es sich bei folgenden Fallbeispielen? Klicken Sie auf die richtige Antwort.

Ein Fitnessstudio verbietet das generelle Tragen von Kopfbedeckungen. Um welche Form der Benachteiligung handelt es sich?
Die Bedienung eines Cafés sagt: „Wir wollen hier keine Ausländer.“ Um welche Form der Benachteiligung handelt es sich?
Einem jungen Mann wird der Einlass in eine Diskothek verwehrt, weil er „arabisch“ aussieht. Um welche Form der Benachteiligung handelt es sich?

Durch das AGG geschützte Lebensbereiche

Das AGG schützt Menschen vor Ungleichbehandlung in den Lebensbereichen Arbeit und Zivilrechtsverkehr. Unter Zivilrechtsverkehr versteht man nach dem AGG, wenn Privatpersonen mit Unternehmen Verträge schließen, die in einer Vielzahl geschlossen werden. 

Dabei sind zwei Vertragsarten zu unterscheiden:

1) Massengeschäfte: zum Beispiel Verträge mit Hotels, Gaststätten, Kaufhäusern, Fitnessstudios

2) Vergleichbare Schuldverhältnisse: zum Beispiel Mietverträge oder Finanzdienstleistungen 

  

1) Massengeschäfte

Massengeschäfte sind Geschäfte des täglichen Lebens wie Verträge mit Hotels, Gaststätten, Kaufhäusern, Fitnessstudios etc., bei denen es keine Rolle spielt, wer man ist. Deshalb werden diese Geschäfte auch „zu vergleichbaren Bedingungen“ getätigt.   

Fallbeispiel: Im öffentlichen Nahverkehr verkauft das Beförderungsunternehmen im Rahmen seiner Kapazitäten ohne Weiteres Tickets an jede zahlungswillige und zahlungsfähige Person und schließt somit täglich eine Vielzahl an Verträgen.

Bei Massengeschäften handelt es sich also nicht um einmalige Sachverhalte, sondern um Geschäfte, die häufig auftreten. Eine wichtige Voraussetzung für die Einordnung als Massengeschäft ist deshalb auch die Feststellung, dass es sich um ein Geschäft handelt, das typischerweise eine „Vielzahl von Fällen“ betrifft. Damit sind die gewerblichen Leistungen von Unternehmen gemeint. Somit fällt der private Verkauf eines gebrauchten Autos nicht unter den Begriff des Massengeschäftes.    


Keine Rolle für die Anwendbarkeit des AGG spielt, ob der oder die Unternehmer*in von vornherein Unterschiede nach den oben genannten Merkmalen macht oder ob einzelne Vertragspartner*innen im Einzelfall Sonderbehandlungen bekommen. So sind Fitnessclubs erstmal für Jede und Jeden zugänglich, unabhängig davon, ob bestimmte Gruppen mehr oder weniger bezahlen müssen.      


2) Vergleichbare Schuldverhältnisse  

Vergleichbare Schuldverhältnisse sind Verträge, bei denen es eine Rolle spielt, wer man ist, dies jedoch eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen.    

Fallbeispiel: Beim Mieten eines Wagens bei einem Unternehmen kann es z.B. eine Rolle bezüglich der Höhe der zu zahlenden Mietgebühr oder Versicherung spielen, wie alt man ist und wie lange man den Führerschein besitzt. Es kann jedoch nicht aufgrund dessen ein Vertrag abgelehnt werden.   

  

Das Benachteiligungsverbot aufgrund der ethnischen Herkunft umfasst

  • den Sozialschutz 
  • soziale Vergünstigungen
  • Bildung
  • die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen 
  • sowie den Wohnungsmarkt.

Somit müssen Mietverträge, Versicherungsverträge und Dienstleistungen, die praktisch Jedem zustehen, dem Benachteiligungsverbot entsprechen, wenn diese öffentlich zugänglich sind oder öffentlich beworben werden! Dies ist der Fall, wenn das Angebot in den Tageszeitungen steht oder es im Schaufenster ausliegt. Ebenso, wenn im Internet auf das Angebot aufmerksam gemacht wird.   

Ansprüche von Betroffenen – Welche Handlungsoptionen gibt es?

Beseitigung und Unterlassung  

Von Diskriminierung Betroffene haben einen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung der diskriminierenden Maßnahme. Der Anspruch kann in tatsächlichem Handeln bestehen und beispielsweise darauf ausgerichtet sein, künftig in dem Fitnessstudio zu trainieren.    


Schadensersatz und Entschädigung 

Bei Verletzung des Diskriminierungsverbots können Betroffene ihren erlittenen Vermögensschaden einfordern, um den sogenannten materiellen Schaden ersetzt zu bekommen. Wenn sich zum Beispiel ein*e Busfahrer*in weigert, aufgrund der ethnischen Herkunft eine Person mitzunehmen und diese daher mit dem Taxi fahren muss, kann die Person vom Busunternehmen das mehr bezahlte Geld einfordern. Für das Verhalten der Busfahrerin bzw. des Busfahrers muss sich in diesem Beispiel das Unternehmen verantworten, da diese*r von ihm beauftragt wurde. Für einen entstandenen Schaden, der kein Vermögensschaden ist, kann die betroffene Person eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten immateriellen Schaden.    


Die Beweislast liegt bei den Betroffenen

Die Betroffenen müssen Indizien beweisen, die vermuten lassen, dass sie aufgrund eines der oben genannten Merkmale benachteiligt wurden. Wenn diese Indizien vorliegen, muss die andere Partei beweisen, dass sie die Benachteiligung nicht zu vertreten hat oder dass es einen sachlichen Grund dafür gibt, der das Handeln rechtfertigt.    


Frist zur Geltendmachung der Ansprüche 

Ansprüche müssen mit einer Frist von zwei Monaten nach dem Diskriminierungsvorfall bzw. der Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden. Die bedeutet nicht, dass die/der Betroffene klagen muss, sondern vielmehr, dass er die andere Partei innerhalb der Frist informiert, dass sie/er seine Ansprüche geltend macht. Dies muss schriftlich erfolgen.   


Sie haben das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein wenig kennengelernt. Was können Sie als Hintergrundinformationen für Ihre ehrenamtliche Tätigkeit mitnehmen?
► Das AGG schützt bestimmte Personengruppen vor Diskriminierung, die aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, einer Behinderung, des Geschlechts oder Alters, ihrer Religion oder Weltanschauung und/oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden.
► Das AGG schützt Menschen nur vor Diskriminierung in den Lebensbereichen Arbeit und Zivilrechtsverkehr.
► Betroffene müssen nur Indizien belegen, die annehmen lassen, dass sie diskriminiert werden. Sobald Sie das können, muss die Gegenseite beweisen, dass das Verhalten nicht diskriminierend war. Wenn die Gegenseite dies nicht beweisen kann, hat die von Diskriminierung betroffene Person das Recht auf Unterlassen oder Schadensersatz.   


Weiterführendes Material

Wegweiser durch das AGG: Wer sich diskriminiert fühlt, bekommt mit dem AGG-Wegweiser der Antidiskriminierungsstelle des Bundes einen Überblick über Handlungsmöglichkeiten. Ein umfangreiches Stichwortverzeichnis und zahlreiche Beispiele soll den Zugang zum Gesetz erleichtern. 

Hier können Sie das gesamte AGG im Wortlaut nachlesen.

Das MiGAZIN hat einen spannenden Artikel zur Thematik veröffentlicht. Sie erfahren z.B., wie viele Anfragen es bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Jahr 2018 aufgrund des Merkmals ethnische Herkunft gegeben hat.


Autorenbild

Matthias Zimoch, von Hause aus gelernter Sozialarbeiter und Sozialjurist (Master of Law in Sozialrecht). Er koordiniert die Servicestelle Antidiskriminierungsarbeit in Paderborn, deren Träger der Caritasverband Paderborn e.V. ist. Hierbei berät er Menschen, die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft und Religion erfahren haben und begleitet unterschiedliche Projekte zum Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung.

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