Zusammenarbeit mit Ehrenamtsagenturen

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In dieser Lektion informieren wir Sie über Potenziale der Zusammenarbeit mit Ehrenamtsagenturen in der Grundbildung. Die Lektion enthält zudem Hinweise zur erfolgreichen Umsetzung einer Kooperation und stellt Ihnen ein Praxisbeispiel aus Frankfurt am Main vor.

Einleitung

Ehrenamtliche sind das Herzstück von Bildungsangeboten mit Eins-zu-Eins Unterstützung in der Grundbildung. Ihr Einsatz funktioniert dann besonders gut, wenn er von Hauptamtlichen koordiniert wird. Ehrenamtskoordination umfasst die Gewinnung, Auswahl, Schulung und Begleitung von Ehrenamtlichen mit dem Ziel, Lernende mit Lernbegleiter*innen zusammenzuführen, die deren Lernprozess bestmöglich fördern.

Für klassische Bildungsanbieter wie die Volkshochschulen kann es sinnvoll sein, Fachwissen und Strukturen der Ehrenamtsagenturen in eine Kooperation einzubeziehen, anstatt diesen Bereich selbst aufzubauen. Ehrenamtsagenturen sind in vielen größeren Städten bei unterschiedlichen Trägern zu finden.


So finde ich eine Ehrenamtsagentur in meiner Nähe

Ehrenamtsagenturen sind bundesweit über die bagfa (Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen) organisiert. In den einzelnen Bundesländern sind die Agenturen darüber hinaus meist über die "lagfas" zu finden (Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen). Ein Beispiel dafür ist die LAGFA Hessen e.V.

Vorteile der Zusammenarbeit mit einer Ehrenamtsagentur

Insbesondere außerhalb von Projektstrukturen sind zeitliche und personelle Ressourcen für die Grundbildungsarbeit knapp. In einer Kooperation können beide Seiten die eigenen Kompetenzen einbringen und die vorhandenen Strukturen nutzen. Ehrenamtsagenturen haben in der Regel bereits ein standardisiertes Verfahren für die Aufnahme, Verwaltung und Betreuung Ehrenamtlicher und zum Teil auch Lernender entwickelt. Dies betrifft zum Beispiel die Versicherung von Ehrenamtlichen oder die Einhaltung der Standards, die für das Ehrenamt gelten.

Ehrenamtliche agieren anders als Mitarbeitende. Viele herausfordernde Situationen in der Begleitung sind typisch für das Aufeinandertreffen und das enge Zusammenarbeiten zunächst fremder Menschen. Die Erfahrung der Agenturen aus anderen Bereichen (z.B. in der Arbeit mit Geflüchteten oder der Unterstützung von Schüler*innen) kann hier sehr hilfreich sein. Darüber hinaus kann eine Ehrenamtsagentur auch über weitere Angebote für Ehrenamtliche (z.B. Ehrenamtsfrühstück, Neujahrsempfang, kulturelle Veranstaltungen) eine gute Anbindung ermöglichen und so zusätzlich Wertschätzung für das freiwillige Engagement zeigen. Gerade Letzteres ist ein wichtiger Faktor bei der Bindung von Ehrenamtlichen.

Grundlagen für die erfolgreiche Zusammenarbeit

Praxisbeispiel: Projekt 1zu1Basics aus Frankfurt am Main

Für das Projekt 1zu1Basics in Frankfurt bot sich die Zusammenarbeit der Volkshochschule Frankfurt mit der AWO|FFM Ehrenamtsagentur an. Neben einem Netzwerk von über 500 Kooperationspartner*innen bringt die Agentur einen Pool von mehr als 2.000 Ehrenamtlichen ein. Sie entwickelt und steuert seit 2008 Ehrenamtsprojekte. Dafür schafft sie mit ihrem Stab an qualifizierten Haupt­amtlichen organisatorische Rahmenbedingungen und legt Qualitätsstandards für die Freiwilligenkoordination fest. Dazu gehören:

  • Anforderungsprofile
  • standardi­sierte Erstgespräche und Matching-Verfahren
  • systematisches Gewinnen, Führen, Fördern und Qualifizieren von Ehrenamtlichen
  • die Begleitung von Tandems
  • die Bearbeitung von Konflikten sowie Nähe- und Distanz-Prinzipien für das Ehren­amt

Diese Qualitätsstandards und Prozesse wurden auf das Projekt 1zu1 Basics zuge­schnitten.

Verschiedene Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zu organisieren: Die Zusammenarbeit von Volkshochschule und Ehrenamtsagentur kann unterschiedlich organisiert werden. Im Frankfurter Projekt 1zu1Basics hat sich dies in den verschiedenen Phasen auch verändert: In der ersten Projektphase hat die vhs für die Aufnahme der Ehrenamtlichen und Lernenden ins Projekt sowie die Verwaltung der Tandems einen Auftrag vergeben. Im Folgeprojekt, als das Lernangebot bereits aufgebaut war, erschien es sinnvoller, die AWO|FFM Ehrenamtsagentur als gleichberechtigten Partner über einen Kooperationsvertrag ins Projekt aufzunehmen. Für die Verstetigungsphase nach Ablauf der Projektförderung wird die AWO|FFM Ehrenamtsagentur die komplette Projektkoordination übernehmen und die vhs über Auftragsmaßnahmen im Bereich Schulung und didaktische Betreuung Ehrenamtlicher weiterhin einbinden.

Als förderlich hat sich im Projekt das gemeinsame Auftreten beider Partner erwiesen. So wird beispielsweise die Einführungsschulung für Ehrenamtliche stets zusammen durchgeführt. Während die vhs die thematische Sensibilisierung und fachdidaktische Einführung übernimmt, werden Interessierte durch die Ehrenamtskoordination über die Aufgaben und Rollenerwartungen der ehren­amtlichen Lernbegleitung für Alphabetisierung und Grundbildung informiert.

Austauschtreffen mit fachdidak­tischen Inhalten durch die Volkshochschule und Begleitveranstaltungen der Agentur zur Qualifizierung unterstützen die Ehrenamtlichen regelmäßig in ihrer Tätigkeit. Die gemeinsame Präsenz der Partner in den Veranstaltungen ermöglicht unkompliziert das Beantworten von Fragen aus beiden Bereichen.

Ehrenamtlichen und Lernenden fällt es meist schwer, die Struktur hinter einem Angebot zu erkennen bzw. die unterschiedlichen Akteure richtig zuzuordnen. Treten Sie daher unter einem einheitlichen Projektnamen/Logo auf. Schicken Sie Personen mit einem Anliegen nicht zu ihrem Partner weiter, wenn Sie die Zuständigkeiten dort sehen. Versuchen Sie stattdessen, die entsprechende Information intern einzuholen oder Hilfe zu organisieren.

Der Einsatz von Ehrenamtlichen in Lernangeboten der Grundbildung bindet viele personelle Ressourcen – insbesondere dann, wenn entweder das Thema Grundbildung oder die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen nicht die Kernkompetenz der anbietenden Einrichtung ist. Die Kooperation von Volkshochschulen oder anderen Bildungsanbietern mit Ehrenamtsagenturen bietet daher große Chancen für beide Seiten.

Weiterführende Literatur

Dietsche, Barbara; Rieckmann, Carola; Scheer, Martina (2021): Lernbegleitung in der Alphabetisierung und Grundbildung. Gemeinsamkeiten und Diskrepanzen der Bedarfe von Ehrenamtlichen, Lernenden und UnterstützerInnen. In: Voluntaris – Zeitschrift für Freiwilligendienste und zivilgesellschaftliches Engagement, 9. Jg., H. 2, S. 339-347

Christ, Pia; Dietsche, Barbara; Morales, Martina; Rieckmann, Carola; Schulze, Maria; Schwarz, Sabine (2022): Ehrenamtliche in der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit. In: Johannsen, Ulrike; Peuker, Birgit; Langemack, Svenja; Bieberstein, Andrea: Grundbildung in der Lebenswelt verankern. Bielefeld, S. 389 -397


Autorenbild

Dr. Carola Rieckmann ist pädagogisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin an der vhs Frankfurt und Koordinatorin des Projekts 1zu1 Basics_plus. Als Expertin zu den Themen Leseforschung und Leseförderung und Mitentwicklerin der Lautlesetandems kam sie 2014 an die Volkshochschule Frankfurt und ist seitdem verantwortlich für die Konzeption, Koordination und didaktische Betreuung diverser Grundbildungsprojekte. Besonderen Wert legt sie dabei stets auf die Zusammenarbeit verschiedener Netzwerkpartner*innen sowie auf die Evaluation und Nachhaltigkeit der aufgebauten Strukturen und Angebote. Ihre Broschüre zum Thema Lernerfolg in der Grundbildung kann hier kostenfrei heruntergeladen werden.