Berufs- und Studienorientierung – Schritt für Schritt zur Berufswahl

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Welche Schritte beinhaltet die berufliche Orientierung? Welche Instrumente und Materialien können dabei helfen, die persönlichen Stärken und beruflichen Interessen der Geflüchteten herauszufinden? An wen kann man sich bei Fragen zur beruflichen Orientierung wenden? In folgender Lektion lernen Sie die Schritte der Berufswahl sowie digitale und regionale Angebote der Berufs- und Studienorientierung kennen.

Was ist zu beachten bei der ehrenamtlichen Begleitung auf der Suche nach einer Ausbildung oder einem Beruf?

Vorneweg möchten wir Ihnen gerne zwei Anregungen mit auf den Weg geben, damit Ihr Engagement am Ende Früchte tragen kann.

1) Beraten Sie auf Augenhöhe: Bei der Suche nach dem richtigen Berufsweg kommt es gelegentlich vor, dass die Einschätzungen hinsichtlich der Chancen und Risiken einer Berufswahl zwischen Ehrenamtlichen und Geflüchteten auseinandergehen. In solchen Fällen ist es hilfreich, sich die eigene Rolle bewusst zu machen.

2) Finden Sie den richtigen Zeitpunkt: In manchen Lebenslagen nehmen andere persönliche Herausforderungen einen solch großen Raum ein, dass beruflich zunächst Zwischenlösungen gefunden werden müssen und eine gründlichere berufliche Orientierung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden muss. Passen Sie sich in Ihrem Tempo der Person, die Sie begleiten, an.

Als Ehrenamtliche*r können Sie Menschen begleiten und ermutigen, ihnen den Zugang zu Informationen und weiteren Anlaufstellen wie Beratungsangeboten oder Veranstaltungen ermöglichen und die Abläufe und besonderen Chancen und Risiken der verschiedenen Wege aufzeigen. Die endgültige Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Berufsweg liegt jedoch bei den Menschen selbst. Nur auf diese Weise ist eine Unterstützung „auf Augenhöhe“ möglich.

Bei der Frage zur eigenen Rolle lohnt sich auch ein Blick in die Themenwelt „Meine Rolle im Ehrenamt“.

Schritte der Berufs- und Studienorientierung

Während für einige schnell feststeht, in welchem Beruf sie nach einer Arbeitsstelle bzw. einem Ausbildungs- oder Studienplatz suchen möchten, stehen vor allem junge Geflüchtete oder jene, deren berufliche Abschlüsse nicht anerkannt wurden, häufig vor der Aufgabe, sich zunächst mit ihren beruflichen Zielen zu befassen. Die berufliche Orientierung beinhaltet im Wesentlichen die folgenden Schritte:

Die Berufswahlentscheidung bewegt sich immer zwischen den individuellen Kompetenzen und Interessen sowie den Möglichkeiten, die der Ausbildungs- und Arbeitsmarkt bietet. In einem ersten Schritt gilt es deshalb, gemeinsam mit den Geflüchteten herauszufinden, welche beruflichen (und privaten) Erfahrungen, Stärken und Interessen sie mitbringen. In den beiden weiteren Schritten geht es darum, passende Berufs- oder Studienfelder kennenzulernen und konkrete Informationen über den Wunschberuf und mögliche Alternativen zu sammeln.

Ziel ist es, zu einer Berufswahlentscheidung zu kommen, die den Fähigkeiten und Interessen der Menschen entspricht, und damit die Chance auf eine erfolgreiche Bewerbung und einen langfristig erfolgreichen Ausbildungs- oder Studienverlauf erhöht.

Die Agentur für Arbeit stellt eine Übersicht der Schritte zur Berufs- und Studienwahl (https://www.arbeitsagentur.de/bildung) mit weiterführenden Verlinkungen zur Verfügung.

Für junge Geflüchtete, die beispielsweise Schüler*innen an einem Berufskolleg sind und sich für eine Ausbildung interessieren, sind die Schritte der Berufswahl in einem Berufswahlfahrplan zusammengefasst. Den Berufswahlfahrplan gibt es in 10 Sprachen.

Weitere Informationen und Materialien zur Unterstützung Geflüchteter bieten das Portal planet-beruf.de und das Themenheft „Berufsorientierung junger Geflüchteter unterstützen“.

Stärken und Interessen entdecken: Wie lassen sich die Kompetenzen, Erfahrungen und beruflichen Ziele der Geflüchteten ermitteln?

Um herauszufinden, welche Erfahrungen, Kompetenzen und Interessen die Menschen mitbringen, können Online-Angebote genutzt werden, standardisierte Testverfahren vor Ort oder verschiedene Instrumente in Papierform (zum Beispiel Portfolioinstrumente), die einen individuelleren Berufsorientierungsprozess ermöglichen.


© GettyImages / E+/ SDI Productions

Übergreifende Online-Angebote zur Kompetenzerfassung für Berufs- und Studienorientierung

  • Das Selbsterkundungstool der Agentur für Arbeit ermöglicht die Einschätzung der eigenen Kompetenzen, Interessen und beruflichen Ziele und zeigt passende Ausbildungs- und Studienberufe an. Das Tool setzt deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 voraus und die Kenntnis von Alltagssituationen im deutschen Kulturkreis.
  • Das Filmportal berufe.tv der Agentur für Arbeit bietet einen sehr guten Einblick in die Tätigkeiten von über 350 Berufen und kann mit Hilfe von Videos dabei unterstützen, die eigenen Interessen zu konkretisieren. Das Portal ist auch als App erhältlich.
  • Die Videoreihe „Stärken leicht erklärt“ des Ausbildungsportals planet-beruf.de erläutert auf anschauliche Weise Begriffe wie „Teamfähigkeit“ oder „Sorgfalt“.

Online-Angebote zur Kompetenzerfassung für die Berufsorientierung

  • Das Angebot planet-beruf.de der Agentur für Arbeit hilft anhand von Bildern aus verschiedenen Arbeitsbereichen dabei, die eigenen Interessen zu entdecken und passende Ausbildungsberufe zu finden.
  • Die Seite meine-berufserfahrung.de ermöglicht zugewanderten Menschen mit Hilfe von Bildern eine Selbsteinschätzung ihrer berufsrelevanten Erfahrung für 30 Ausbildungsberufe.


© iStock / Getty Images Plus / vladwel

Online-Angebote zur Kompetenzerfassung für die Studienorientierung

  • Der TestAS für Flüchtlinge ist ein Studierfähigkeitstest, der die allgemeine und fachliche Eignung zum Studium prüft. Der Test dauert ca. vier Stunden und kann einmalig kostenlos in den Sprachen Deutsch (mindestens Niveau B1), Englisch und Arabisch abgelegt werden.
  • Der Studium-Interessentest (SIT) der Hochschulrektorenkonferenz erstellt in ca. 15 Minuten ein persönliches Interessenprofil und eine Liste mit passenden Studiengängen


In den Arbeitsagenturen vor Ort werden darüber hinaus angeboten:

  • MYSKILLS: Der computergestützte Test ermöglicht Menschen ohne Berufsabschluss, ihre beruflichen Fähigkeiten zu erkennen. Der ca. vierstündige Test existiert für 30 Ausbildungsberufe und ist in den Sprachen Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi, Russisch und Türkisch verfügbar.

  • Berufswahltest: Der Test wird für Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren angeboten, die sich für einen Ausbildungsberuf interessieren und die deutsche Sprache sicher beherrschen.

Auch einige Kammern bieten vor Ort Verfahren zur Kompetenzfeststellung an, wie zum Beispiel das mehrsprachige Projekt check.work der Industrie- und Handelskammer für München, das speziell für die Zielgruppe der Geflüchteten entwickelt wurde.

Weitere Instrumente zur Selbsteinschätzung und zur Unterstützung der Beratung

Der Stärkenatlas des Deutschen Volkshochschul-Verbandes unterstützt dabei, die Kompetenzen und Interessen von Geflüchteten zu ermitteln und passende berufliche Perspektiven zu finden. Darüber hinaus bietet er Beratenden eine Sammlung vielfältiger Methoden und Materialien, die mit Geflüchteten erarbeitet werden können. Der Stärkenatlas ist ein niedrigschwelliges Instrument, das in sechs Sprachen zur Verfügung steht.

Der ProfilPASS in einfacher Sprache des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) unterstützt die systematische Erfassung und Dokumentation von Kompetenzen mit dem Ziel, ein Kompetenzprofil zu erstellen. Er ist speziell auf die Situation und Bedürfnisse von Neuzugewanderten zugeschnitten, erfordert jedoch grundlegende Deutschkenntnisse. Der originale ProfilPASS ist in sechs Sprachen verfügbar.

Eine umfassende Sammlung von Instrumenten zur Kompetenzerfassung für Neuzugewanderte bietet das SCOUT-Toolkit des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE). Es beinhaltet 20 Tools mit unterschiedlichen inhaltlichen und methodischen Ausrichtungen. Eine dort vorgestellte Methode sind Kompetenzkarten, die verwendet werden können, wenn die Sprachkenntnisse der Geflüchteten nicht ausreichend sind. Durch die Kombination von Bild und Text in einfacher Sprache sollen sprachliche Barrieren leichter überwunden werden.


Diese kleinschrittige und systematische Herangehensweise der Portfolioinstrumente (zum Beispiel des Profilpasses), in der die Details der eigenen Biographie schriftlich festgehalten werden, ist für viele Menschen ungewohnt und teilweise befremdlich. Hinzu kommt, dass die zumeist umfangreichen Materialien - auch solche in „einfacher Sprache“ – viele Begriffe enthalten, die zunächst erklärt werden müssen. Im Falle einer individuellen Begleitung ist es daher empfehlenswert, die Materialien entweder gemeinsam zu bearbeiten oder die Materialien (im Sinne eines inhaltlichen Leitfadens) als Grundlage für ein Gespräch/Interview über den bisherigen beruflichen (und privaten) Lebensweg und die persönlichen Ziele zu nutzen. Die Ergebnisse können währenddessen notiert werden und teilweise auch für die Erstellung eines Lebenslaufs genutzt werden. Um konkrete Interessen und Erfahrungen herauszufinden oder um bestimmte berufliche Tätigkeiten verständlich zu machen, eignen sich vor allem Angebote, die Bilder oder Videos beinhalten.

Berufe erkunden vor Ort: Welche regionalen Angebote zur Berufs- und Studienorientierung gibt es?

Um Berufsfelder und passende Ausbildungs- und Studiengänge kennenzulernen, gibt es neben Online-Portalen wie berufe.net oder berufe.tv (weitere Angebote finden sich in der Lektion „Die Welt der Berufe - Der Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Deutschland“), die Möglichkeit, sich vor Ort über Berufe zu informieren. Regionale Angebote haben den Vorteil, dass sich häufig bereits ein erster persönlicher Kontakt zu einem Unternehmen, einer Schule oder Hochschule herstellen lässt und damit auch eine erste mögliche Hürde genommen ist.


Folgenden Stellen bieten eine persönliche Beratung zur Berufs- und Studienorientierung an:


  • Die örtlichen Berufsinformationszentren (BiZ) der Agentur für Arbeit stellen umfangreiche Informationen zu allen Berufsfeldern zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es Seminare und Informationsveranstaltungen, in denen beispielsweise Vertreter einzelner Berufe ihre Ausbildungsangebote vorstellen. Aktuelle Termine finden sich in der Veranstaltungsdatenbank.


  • In vielen Städten gibt es jährliche Ausbildungs- und/oder Hochschulmessen, auf denen sich regionale Arbeitgeber und/oder Hochschulen mit ihren jeweiligen Ausbildungs- und Studienangeboten präsentieren. Die Termine finden sich über die Veranstaltungsdatenbank der Agentur für Arbeit, die Kammern (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer), die Hochschulen oder auch kommunale Stellen, wie zum Beispiel die Regionalen Bildungsbüros in Nordrhein-Westfalen.



  • Freiwillige Praktika und Hospitationen zur beruflichen Orientierung: Um herauszufinden, ob ein Beruf den eigenen Vorstellungen entspricht und man die erforderlichen Voraussetzungen mitbringt, kann es hilfreich sein, ein freiwilliges Praktikum zu machen. Insbesondere kleine Unternehmen bieten manchmal die Möglichkeit, für einige Tage oder Wochen einen persönlichen Eindruck vom Berufsalltag zu bekommen. Hierdurch können erste Kontakte zu Betrieben geknüpft werden.


  • Hochschulen haben in der Regel eigene Angebote zur Studienorientierung, wie zum Beispiel ein Schnupperstudium, Hochschultage oder das Angebot, als Gasthörer teilzunehmen. Informationen erhält man in der Studienberatungsstelle und auf der Homepage der jeweiligen Hochschule. An vielen Hochschulen gibt es auch besondere Orientierungsangebote für Geflüchtete. Einige dieser Angebote zeigt diese Deutschlandkarte:

Ausbildungsvorbereitung der beruflichen Schulen und der Agentur für Arbeit

Junge Menschen, denen es schwer fällt, sich selbstständig zu orientieren und eine Ausbildungsstelle zu finden, können Unterstützung durch verschiedene Angebote zur Berufs- und Ausbildungsvorbereitung erhalten. In den Bildungsgängen und Maßnahmen können die Teilnehmenden ihre schulischen Grundlagen verbessern, Qualifikationen in einzelnen Berufsbereichen erwerben und individuelle Unterstützung bei der Lösung persönlicher Probleme erhalten.

Ausbildungsvorbereitung an beruflichen Schulen

Das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) und das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) sind jeweils einjährige Bildungsgänge, in denen eine allgemeine oder berufsbezogene berufliche Grundbildung und bei Bedarf ein Hauptschulabschluss erworben werden kann. Während das Berufsvorbereitungsjahr (in Nordrhein-Westfalen „Berufsorientierungsjahr“) ausschließlich ein vorbereitendes Jahr sein soll, kann das Berufsgrundbildungsjahr je nach Fachrichtung als erstes Ausbildungsjahr anerkannt und bei einer späteren Ausbildung auf die Ausbildungsdauer angerechnet werden.

Bildungsangebote findet man über die jeweiligen beruflichen Schulen und das Ausbildungsportal www.regional.planet-beruf.de.

Ausbildungsvorbereitung der Agentur für Arbeit

Unter welchen Bedingungen Geflüchtete die folgenden Hilfen in Anspruch nehmen können, zeigt die Übersicht „Zugang zu Arbeits- und Ausbildungsförderung für Geflüchtete“ der IQ Fachstelle.


  • Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB): In einer BvB absolvieren die Teilnehmenden über einen Zeitraum von bis zu 10 Monaten mehrere Praktika in unterschiedlichen Betrieben und erhalten Unterricht bei einem Bildungsträger.
  • Betriebliche Einstiegsqualifizierung (EQ): Eine EQ ist ein gefördertes Praktikum in einem Betrieb über einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten in Vollzeit oder Teilzeit. Die Teilnehmenden erhalten eine Praktikumsvergütung und sind sozialversichert. Wenn nach Abschluss der EQ eine Ausbildung im gleichen Bereich begonnen wird, kann die Ausbildungsdauer verkürzt werden.


Zusätzlich zu den regulären Angeboten im Bereich der Berufsvorbereitung gibt es für Geflüchtete spezielle Förderprogramme, die sich stärker an den Bedürfnissen neu zugewanderter Menschen orientieren. Eine Zusammenstellung der Programme für Geflüchtete findet sich in der Lektion „Förderprogramme und Projekte“.


Eine Übersicht aller in Deutschland angebotenen Programme und Initiativen im Bereich der Berufsorientierung (auch für die Zielgruppe der Geflüchteten) findet sich in der Programmdatenbank der Fachstelle „überaus" des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Die Datenbank beinhaltet auch die Berufsorientierungsprogramme der Bundesländer, die sich an die Schüler*innen der allgemeinbildenden Schulen richten und diese in ihrem Übergang von der Schule in den Beruf unterstützen.

Im Prozess der Berufsorientierung geht es darum, die persönlichen Stärken und Interessen der Geflüchteten herauszufinden, passende Berufsfelder kennenzulernen und konkrete Informationen über den Wunschberuf und mögliche Alternativen zu sammeln. Als Ehrenamtliche*r können Sie den gesamten Orientierungsprozess unterstützen, die endgültige Berufswahlentscheidung liegt jedoch bei den Geflüchteten. Um herauszufinden, welche Erfahrungen, Kompetenzen und Interessen eine Person mitbringt, können Online-Angebote genutzt werden, standardisierte Testverfahren vor Ort oder Materialien in Papierform, wie beispielsweise Portfolioinstrumente. Wenn die sprachlichen Anforderungen zu hoch sind, können die Materialien auch als Grundlage für ein persönliches Gespräch/Interview über den bisherigen Lebensweg genutzt werden. Um Berufe kennenzulernen, gibt es neben Online-Portalen eine Reihe regionaler Angebote zur Berufs- und Studienorientierung. Ansprechpartner hierzu sind vor allem die Agentur für Arbeit, die Kammern und die ausbildenden Schulen und Hochschulen.Junge Menschen, die keine Ausbildungsstelle finden, können Unterstützung durch verschiedene Angebote zur Ausbildungsvorbereitung erhalten.


Autorenbild

Katja Stöhr-El Saman, Dipl.-Soziologin und Interkulturelle Trainerin, arbeitet seit rund zehn Jahren im Bereich der Berufsorientierung, darunter mehrere Jahre als Trainerin und Beraterin für Berufsorientierung für Migrant*innen. Zuletzt koordinierte sie ein Programm zum Übergang Schule-Beruf für die weiterführenden Schulen der Stadt Bonn.

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