Kultur – das Salz in der Suppe

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Im ehrenamtlichen Engagement für Geflüchtete ist immer wieder die Rede von kulturellen Unterschieden. Aber was versteht man überhaupt unter Kultur? In dieser Lektion bekommen Sie einen Einblick in die Komplexität des Kulturbegriffs, in die bewussten und unbewussten Elemente von Kultur und in die Fähigkeiten, die es braucht, um interkulturell kompetent auf Geflüchtete eingehen zu können.

Was verbirgt sich hinter dem Kulturbegriff?


Kultur ist ein vielschichtiger, oft benutzter Begriff. Es existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Definitionen, darunter keine, die allgemein anerkannt ist. Wenn wir von Kultur sprechen, meinen wir da Kunst und Theater? Nationalstaaten? Esskultur? Den Gegenbegriff zur Natur?  

Das folgende Quiz gibt Einblicke in die Frage was wir eigentlich meinen, wenn wir im Kontext der Zusammenarbeit mit Geflüchteten von Kultur sprechen. Was glauben Sie: Stimmen die Aussagen? Wählen Sie aus.  

Eine Gesellschaft hat keine Kultur, sondern ist eine Kultur.
Kultur ist eine „nicht austauschbare, nach innen homogene, nach außen geschlossene Lebensform."
Kultur ist historisch gewachsen und veränderbar.
Kultur gibt uns vor, was wir als richtig und was wir als falsch ansehen sollen.
Unsere Kultur ist uns allen angeboren.
Kultur ermöglicht uns eine Orientierung im Alltag und ist aus dem Zusammenleben der Menschen untereinander und mit ihrer Umwelt entstanden.


Dynamischer Kulturbegriff: Der dynamische Kulturbegriff geht davon aus, dass Kulturen keine geschlossenen Container sind, sondern miteinander in Beziehung stehen und veränderbar sind. Menschen einer Kultur teilen zwar viele Gemeinsamkeiten, aber die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur legt nicht fest, wer wir als Mensch sind. Wir gehören mehreren kulturellen Gruppen an und sind von diesen beeinflusst.    


Zur Vielfalt des Kulturbegriffs finden Sie auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) nützliche Informationen.  

  

Das Eisbergmodell der Kulturen

Kulturen haben einiges mit Eisbergen gemeinsam: Man sieht nur einen kleinen Teil, der größte Teil befindet sich im Verborgenen. Das, was an der Oberfläche zu sehen ist, springt uns sofort ins Auge: andere Kleidung, Gestik, Sprache, Essen, Musik und vieles mehr. Der tiefer liegende Bereich von Kultur ist um ein vielfaches größer und vielseitiger als das, was an der Spitze des Eisbergs zu beobachten ist. Was wir nicht auf den ersten Blick erkennen, was aber für das Verständnis und für die Zusammenarbeit mit Geflüchteten ungemein wichtig ist, sind die tiefer liegenden Grundhaltungen, Einstellungen, Emotionen und Motive. Erst durch den direkten Kontakt und den Austausch mit Menschen aus anderen Gesellschaften offenbaren sich diese anderen, auf den ersten Blick nicht sichtbaren Elemente. Alles zusammen bildet das, was wir Kultur nennen. Je mehr wir mit und über andere Kulturen lernen, desto mehr wird für uns das sichtbar, was unter der Wasseroberfläche liegt.    

Eisberg-Modell der Kulturen nach Edgar Schein (Copyright: Meike Woller/eigene Darstellung)

In der Zusammenarbeit und Kommunikation mit Geflüchteten können Sie sich immer wieder die Frage stellen: Was liegt eigentlich kulturell gesehen unter meiner Oberfläche? Was prägt mein Verhalten und meine Erwartungen? Indem Sie sich darüber klar werden, können Sie lernen Konflikte und Missverständnisse besser zu verstehen und mit ihnen umzugehen.  

Mehr dazu in „Andere Kulturen - Was haben wir gemeinsam? Wie unterscheiden wir uns“   

(Un)Bewusste Ebenen einer Gesellschaft

  • Geschlechterverhältnis
  • Zeitverständnis
  • Erziehungsstil
  • Humor
  • Beziehung zu Tieren
  • Schönheitsvorstellungen
  • Umgang mit Emotionen
  • Gesellschaftliche Tabus

Wie komplex ist Kultur?

Wenn wir von Kulturen sprechen, geschieht es oft automatisch, dass von Nationen die Rede ist. AfghanInnen unterscheiden sich von ArgentinierInnen, ChinesInnen von FranzösInnen und so weiter. Aber abgesehen von der nationalen Zugehörigkeit, welche kulturellen Einflüsse prägen uns noch? Kultur kann man auf viele Ebenen herunterbrechen: Jede Berufsgruppe – ob LandwirtInnen, IngenieurInnen, JuristInnen, KünstlerInnen -  jeder Sportverein, jede Flüchtlingsinitiative entwickelt eine eigene Organisationskultur mit bestimmten Regeln, Verhaltensweisen und Codes. Kommen Sie aus Schwaben oder Friesland, vom Land oder aus der Stadt? Sind Sie VegetarierIn, ModellbauerIn, Chormitglied oder Fußballfan? Die Zugehörigkeit zu all diesen (Sub)-kulturen prägt unser Denken, Fühlen, Handeln, die Art zu kommunizieren, Erwartungen an das Leben erwarten und vieles mehr. Welche kulturellen Gruppen, denen Sie angehören, beeinflussen Sie am meisten?  

Zugehörigkeit zu kulturellen Gruppen (Copyright: Meike Woller/eigene Darstellung)

Mehr zur Frage der eigenen kulturellen Prägung haben wir für Sie in „Wie bin ich kulturell geprägt? Und wie sehen Geflüchtete mich?” aufbereitet.

Was ist interkulturelle Kompetenz?

Treffen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen aufeinander, so verhält sich jeder erst einmal so, wie er oder sie kulturell geprägt ist. Von klein auf haben wir gelernt, was in unserer Gesellschaft als üblich, normal und richtig angesehen wird und auch, was abweichendes und unerwünschtes Verhalten ist. Üblich ist bei uns Deutschen, dass wir zu Terminen pünktlich kommen - lieber fünf Minuten zu früh als fünf Minuten zu spät - und normal ist es in den meisten Fällen, dass Kritik geradeheraus geäußert wird. Auf den ersten Blick ist es für uns seltsam, wenn uns andere Menschen bei der Begrüßung nicht in die Augen schauen und es fühlt sich für uns falsch an, nicht zu sagen, was man denkt. Diese Vorstellungen sind ein so fester Bestandteil unseres Lebens, dass wir sie völlig automatisch anwenden und nicht hinterfragen.  Aber wie schafft man es, andere Kulturen nicht nur aus der Perspektive der eigenen Prägung zu sehen? Ein Grundstein dafür ist das Arbeiten an der eigenen interkulturellen Kompetenz.  


 „Interkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, sich auf fremde Sichtweisen einzustellen, sie vorübergehend anzunehmen und als Realität anzuerkennen...Der Fokus richtet sich auf kulturelle Muster, Werte und Einstellungen, auf das, was nicht ausgesprochen wird und trotzdem von großer Bedeutung für das gegenseitige Verständnis ist.“ (nach Franz Schapfel-Kaiser)  


Zur interkulturellen Kompetenz gehören unterschiedliche Fähigkeiten und Einstellungen:

  • Einfühlungsvermögen
  • Bewusstsein über eigene Vorurteile
  • Kenntnisse über Sprache und andere Kulturtechniken
  • Fähigkeit zum Perspektivwechsel
  • Offenheit und Neugierde
  • Fähigkeit, die Werte der anderen gelten zu lassen
  • Bewusstheit über eigene kulturelle Prägung
  • Fähigkeit, Unsicherheit, Missverständnisse und Widersprüche auszuhalten    

Nutzen Sie Ihr Engagement mit Geflüchteten als Chance, gezielt an diesen Fähigkeiten zu arbeiten. Denn interkulturelle Kompetenz entwickelt sich nicht automatisch, wenn wir auf Menschen aus anderen Gesellschaften treffen. Es kann genauso gut passieren, dass sich Stereotype und Vorurteile verfestigen. Aus irritierenden Momenten und Konflikten können Sie aber genauso viel lernen wie aus positiven Erfahrungen - wenn Sie bereit sind, sich selbst  und die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen und andersartiges Verhalten nicht vorschnell in Schubladen zu sortieren.  

Mehr zum Umgang mit Stereotypen und Vorurteilen haben wir für Sie hier vorbereitet.

Sie haben nun die Grundlagen zum Konzept der Kultur kennengelernt. Was können Sie als Hintergrundinformation für Ihre ehrenamtliche Tätigkeit mitnehmen?

  ► Zur interkulturellen Kompetenz gehören unterschiedliche Fähigkeiten und Einstellungen:
- Einfühlungsvermögen
- Bewusstsein über eigene Vorurteile
- Kenntnisse über Sprache und andere Kulturtechniken
- Fähigkeit zum Perspektivwechsel
- Offenheit und Neugierde
- Fähigkeit, die Werte der anderen gelten zu lassen
- Bewusstheit über eigene kulturelle Prägung
- Fähigkeit, Unsicherheit, Missverständnisse und Widersprüche auszuhalten    

► Nutzen Sie Ihr Engagement mit Geflüchteten als Chance, gezielt an diesen Fähigkeiten zu arbeiten. Denn interkulturelle Kompetenz entwickelt sich nicht automatisch, wenn wir auf Menschen aus anderen Gesellschaften treffen. Es kann genauso gut passieren, dass sich Stereotype und Vorurteile verfestigen. Aus irritierenden Momenten und Konflikten können Sie aber genauso viel lernen wie aus positiven Erfahrungen - wenn Sie bereit sind, sich selbst  und die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen und andersartiges Verhalten nicht vorschnell in Schubladen zu sortieren.

Weiterführendes Material

Glocal Competence. Ein Portal rund um das Thema Interkulturelle Kompetenz mit Übungen, Fallbeispielen und vielem mehr.    


Autorenbild

Meike Woller, Diplom-Sozialwirtin, ist Trainerin für Interkulturelle Kompetenz und Globales Lernen. Sie hat verschiedene Projekte zum Thema „Integration“ geleitet und führt interkulturelle Fortbildungen für Menschen durch, die mit Geflüchteten zusammenarbeiten. 

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Was bedeutet Kultur für Sie?

Sie haben in dieser Lektion viele unterschiedliche Blicke auf Kultur kennengelernt. Was nehmen Sie mit? Was bedeutet es für Sie, interkulturell kompetent mit Geflüchteten zusammenarbeiten? Schreiben Sie Ihre Antwort in die Kommentare und tauschen Sie sich aus!