Im allgemeinen Sprachgebrauch werden dafür mehrere Begriffe synonym verwendet: Ehrenamt, ehrenamtliche Tätigkeit, bürgerschaftliches oder freiwilliges Engagement. Welche Begriffe unserer Autorin und der Redaktion zum Ehrenamt eingefallen sind, sehen Sie in der folgenden Grafik.
Geflüchtete ins Ehrenamt begleiten
Zu den KommentarenBisher war klar: Ehrenamtliche Helfer*innen sind meistens Einheimische, manchmal auch Migrant*innen, die ihre Landsleute mit ihren Erfahrungen unterstützen. Hilfeempfänger sind die Geflüchteten. In dieser und der nächsten Lektion wollen wir den Fokus verlegen: Zunehmend engagieren sich Geflüchtete und bringen sich so in die Gesellschaft ein. Warum das gut ist, lesen Sie hier.
In dieser Lektion
Was ist eigentlich ein Ehrenamt?
Was bedeutet Ehrenamt für Sie?
Melden Sie sich an, um an der Umfrage teilzunehmen.Wem nützt das Ehrenamt?
Freiwilliges Engagement nützt allen – den Engagierten natürlich, den Organisationen, in denen sie aktiv sind, aber auch der Gesellschaft, die durch Ehrenamt gestärkt wird und sich weiter entwickelt. Warum sollten sich auch Geflüchtete hier in Deutschland ehrenamtlich engagieren, zumal ein richtiger Job doch erstmal dringlicher ist? Was ist der Mehrwert ehrenamtlichen Engagements? Welche Möglichkeiten bietet es? Wir haben Natascha Wellmann-Rizo, Projektleitung des Projekts „Ich kann helfen – Teilhabe durch Ehrenamt“ des Migrationszentrums Göttingen dazu befragt.
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Was haben Ehrenamtsorganisationen davon, wenn sie Neuzugewanderte in ihrem Team aufnehmen?
Viele Organisationen, die zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger arbeiten, suchen dringend Mitarbeitende, die ihnen helfen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Alle, die helfen wollen, sind willkommen. Geflüchtete haben darüber hinaus noch eine besondere Aufgabe: Sie ermöglichen anderen Engagierten eine persönliche Begegnung mit neuen Lebenswelten. Sie bereichern das Team mit ihren Erfahrungen, ihren Kultur- und Sprachkenntnissen. Eine Pflegedienstleiterin einer Klinik beschreibt es so:
„Auf unserer Wöchnerinnen-Station brauchen wir oft die Hilfe von Ehrenamtlichen, die in ihrer Muttersprache den Wöchnerinnen erklären, was auf den langen und textreichen Infoblättern steht, die sie nach der Geburt eines Kindes bekommen. Das können die Schwestern, aber auch die deutschsprachigen Ehrenamtlichen gar nicht leisten.
Was hat die Gesellschaft davon, dass Geflüchtete sich ehrenamtlich engagieren?
Auch Geflüchtete engagieren sich inzwischen ehrenamtlich. Mit dem Rollenwechsel – von Hilfeempfänger*innen zu Helfenden – ändert sich nicht nur ihr Selbstbewusstsein, sondern auch die Wahrnehmung von Migrant*innen in der Öffentlichkeit. Aber das ist nicht der einzige Vorteil. Natascha Wellmann-Rizo, Projektleitung des Projekts „Ich kann helfen – Teilhabe durch Ehrenamt“ des Migrationszentrums Göttingen hat uns eine Antwort auf die oben genannte Frage gegeben. Aber hören Sie selbst.
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Welches Ehrenamt passt zu wem?
Das Wichtigste bei der Auswahl eines freiwilligen Engagements sollen die Fähigkeiten, Erfahrungen und Wünsche der künftigen Freiwilligen sein. Wer bringt welche Fähigkeiten mit? Wofür begeistern sich die künftigen Freiwilligen? Was machen sie gerne? Mit welcher Zielgruppe möchten sie arbeiten? Es gibt zahlreiche Möglichkeiten und Tätigkeitsfelder, in denen man sich engagieren kann. Sehen Sie sich die Beispiele an.
Was ist sonst noch wichtig?
Zuerst geht es um die Motivation, um die Interessen und Fähigkeiten der zukünftigen Freiwilligen. Aber was gibt es vor der Übernahme eines Ehrenamts noch zu bedenken?
Sprachkenntnisse
Reichen die Deutsch-Kenntnisse für das gewählte Engagement aus? Ein Vorgespräch in der Einsatzstelle erspart spätere Enttäuschungen. Wie ist es mit weiteren Sprachkenntnissen? Je nach Einsatzbereich könnten sie sehr hilfreich sein.
Aufenthaltsrechtliche Situation
Wie ist die aufenthaltsrechtliche Situation? Erlaubt sie ein langfristiges Engagement, das erst nach einer längeren Einarbeitung oder Schulung beginnen kann?
Zeitlicher Rahmen
Welche Zeiten stehen auf beiden Seiten zur Verfügung? Wie langfristig soll das Engagement sein? Schulungen werden oft nur angeboten, wenn die Aussicht besteht, dass die Freiwilligen danach über einen längeren Zeitraum dabei bleiben. Wenn schon feststeht, dass die zeitlichen Kapazitäten sich demnächst verändern werden, z.B. durch Beginn einer Ausbildung, ist ein kurzfristiger Einsatz sinnvoller.
Mobilität
Ist die Einsatzstelle gut erreichbar? Entstehen Fahrtkosten? Ist eine Erstattung möglich?
Einarbeitung und persönliche Bindung
Bietet die gewünschte Einsatzstelle eine Starthilfe an in Form einer Schulung oder eines begleiteten „Schnuppereinsatzes“? Gibt es Ansprechpartner*innen, die beim Einstieg helfen? Vielleicht sogar einen Paten oder eine Patin? An wen kann man sich mit Fragen oder Problemen wenden?
Welche formalen und rechtlichen Regelungen gibt es?
Gut zu wissen! Geflüchtete Menschen dürfen sich uneingeschränkt freiwillig engagieren, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus oder dem Stand ihres Asylverfahrens, es muss deshalb keine Arbeitserlaubnis vorliegen.
Ehrenamtspauschale und Aufwandsentschädigung
Ehrenamtliche Tätigkeiten werden unentgeltlich ausgeübt. Manchmal wird aber eine Aufwandsentschädigung oder eine Ehrenamtspauschale gezahlt. Wer Sozialleistungen bezieht, darf bis zu 200,- Euro monatlich anrechnungsfrei aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit erzielen. Ab dem 1.9.2019 gilt das auch für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§7 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG). Die Einkünfte aus ehrenamtlicher Tätigkeit müssen dem Leistungsträger (Jobcenter oder Sozialamt) gemeldet werden, auch wenn sie nicht angerechnet werden.
Die Regelungen im Einzelnen sind in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Darum ist es ratsam, sich beim Leistungsträger vor Ort zu erkundigen. Weitere Infos erfahren Sie hier.
Führungszeugnis: Ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis, das für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen notwendig ist, kann von jedem und jeder bei der örtlichen Meldebehörde (Bürgerbüro, Rathaus) beantragt werden, unabhängig von Aufenthaltstitel oder Nationalität. Es ist für alle freiwillig Engagierten auf Antrag kostenfrei.
Kostenerstattung
Im Ehrenamt entstandene Kosten, wie zum Beispiel Fahrtkosten, werden meistens erstattet. Manchmal wird eine besondere Kleidung verlangt oder die Mitgliedschaft im Verein gewünscht. Vereinsbeiträge können auf Antrag aus dem Bildungs- und Teilhabe-Paket gezahlt werden. Kosten für Ausbildungskurse, z.B. Erste-Hilfe oder Übungsleiter-Kurse, können manchmal von den Organisationen bezuschusst oder übernommen werden.
Versicherungsschutz
Ehrenamtliche sind in der Regel über ihre Einsatzstelle unfall- und haftpflichtversichert. Einige Bundesländer haben eine generelle Versicherung für die freiwillig Engagierten abgeschlossen. Hier erfahren Sie mehr.
Wichtige Informationen zur Haftpflichtversicherung sowie eine Checkliste mit Tipps zur Auswahl der Versicherung finden Sie hier.
● Geflüchtete können sich ehrenamtlich engagieren, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus oder dem Stand ihres Asylverfahrens. Eine Arbeitserlaubnis muss nicht vorliegen.
● Es ist wichtig zu überlegen, in welchem Tätigkeitsfeld man sich engagieren möchte, je nachdem, was man an Fertigkeiten mitbringt und woran man Spaß hat.
● Durch ehrenamtliches Engagement kann man der Gesellschaft etwas zurückgeben und gleichzeitig wertvolle Kompetenzen und Erfahrungen für das Leben und den Beruf gewinnen. Vor allem Geflüchtete fühlen sich so wieder gebraucht und gewinnen an Selbstbewusstsein.
Weiterführendes Material
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V. (bagfa) führte von 2017 bis 2019 an zehn Standorten das Modellprojekt „Teilhabe durch Engagement“ durch, bei dem das Engagement von und mit geflüchteten Menschen im Mittelpunkt stand. Der Leitfaden „Neue Engagierte. Freiwilliges Engagement von geflüchteten Menschen fördern“ bündelt die Erfahrungen des Modellprojektes und dient als praxisnaher Kompass für alle, die ebenfalls geflüchtete Menschen zu freiwilligem Engagement einladen wollen.
Eine ausführliche Darstellung des rechtlichen Rahmens bietet die Veröffentlichung der Servicestelle Kommunen in der einen Welt (SKEW): Rechtliche Rahmenbedingungen des Engagements von Geflüchteten (Dialog Global, Heft 48)
Dr. Hanne Leewe ist seit drei Jahren im Ruhestand. Was sie in den Jahren der Berufstätigkeit, als Gemeindepfarrerin, als Erwachsenenbildnerin und als Schulentwicklerin nur „nebenbei“ tun konnte, nimmt jetzt breiten Raum ein: Kontakte zu Geflüchteten besonders in den ersten Monaten oder Jahren in Deutschland, Mitarbeit in Initiativen und Gruppen, die sich um die Flüchtlingspolitik in der Kommune und die Migrationspolitik Deutschlands kümmern. Im Rahmen des Seniorenstudiums versucht sie Hintergründe und Zusammenhänge für Migration und Integration zu verstehen, um sie beeinflussen zu können.
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