Vorüberlegungen zum ehrenamtlichen Lernbegleitsystem

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Hier berichtet das Projekt Knotenpunkte Trier, welche Vorteile die Einbindung von ehrenamtlichen Lernbegleitungen mit sich bringt. Sie können sich Ehrenamt auch für Ihr Grundbildungsangebot vorstellen? Dann lesen Sie weiter!

Vorüberlegungen

Als Volkshochschule möchten Sie ergänzend zu Ihrem Kursangebot im Grundbildungsbereich ein individu­ali­sier­tes Angebot für Ihre Kunden anbieten? Als Stadtteilbücherei möchten Sie in einem Stadtteil mit Entwicklungsbedarf speziell Ihre Kunden mit Lese- und Rechtschreib­schwierig­keiten unterstützen und ihnen die Freude am Lesen näherbringen? Oder möchten Sie als Handwerkskammer Ihre Auszubildenden mit Grund­bildungs­bedarfen gezielt unterstützen und auf die Prüfungen vorbereiten?

© Getty Images / yangwenshuang

Der Aufbau eines ehrenamtlichen Lernbegleitgsystems, wie es in dieser Themenwelt beschrieben und angeregt wird, bietet eine gute Möglichkeit, die Grundbildung von Erwachsenen mit Herkunftssprache Deutsch oder auch von Zugewanderten individuell und strukturiert zu fördern.

Aber Achtung: Ein kontinuier­liches Unterstützungssystem durch Lernbegleiter*innen ist eine aufwendige Form, Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit zu fördern und zu unterstützen. Sie stellt spezielle Anforder­ungen an die Ressourcen einer Einrichtung. Daher sollte, bevor eine Einrichtung ein Lernbegleitungssystem ins Leben ruft, eine Bestandsaufnahme erfolgen. Damit prüfen Sie, welche Lern- und Unterstützungsangebote Ihre Einrichtung bereits umgesetzt hat, welche Ziele sie erreichen möchte und welche zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung stehen. Außerdem sollte überlegt werden, welche neuen Angebote kurzfristig umgesetzt werden können und welche Angebote eine gute Basis für die Arbeit der Lernenden und Lernbegleiter*innen darstellen.

Unterstützungs- und Lernangebote in abgestufter Form

Menschen mit Grundbildungsbedarf können Sie in vielerlei Form und mehr oder weniger starker Ausprägung unterstützen. Wir stellen Ihnen hier eine Angebotspalette für den Alphabetisierungs- und Grundbildungsbereich in sechs Stufen vor, die von einfach zu organisierenden bis hin zu komplexen Angeboten führen. Die einzelnen Stufen bauen dabei aufeinander auf. Die folgenden Wendekarten stellen verschiedene Möglichkeiten vor, wie Ihre Einrichtung Menschen, denen das Lesen und Schreiben schwer fällt, weiterhelfen kann. Das Modell ist so zu verstehen, dass die Intensität des Aufwandes und der Ressourcen steigt, je dunkler die Farbe der Wendekarte wird.


Auf welche Ressourcen es weiterhin ankommt und was alles im Vorhinein bedacht werden sollte, wenn Sie ein informelles Lernsetting ins Leben rufen möchten, haben wir Ihnen außerdem in der Lektion Die Qual der Wahl Beratung, Lerncafé oder Lernbegleitung? zusammengestellt.

Was ist ein ehrenamtliches Lernbegleitsystem?

Das ehrenamtliche Lernbegleitsystem ist, wie bereits beschrieben, eine der aufwendigsten Unterstützungsformen für Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten. Es bindet ein hohes Maß an zeitlichen, personellen und damit auch finanziellen Ressourcen. Nichtsdestotrotz ist das Lernbegleitsystem enorm wirkungsvoll und bringt eindeutige Vorteile mit sich.

Unter einem „Lernbegleitsystem“ wird ein System von mehreren miteinander verbundenen Aktivitäten verstanden, die in ihrer Gesamtheit darauf zielen, ehrenamtliche Lernbegleiter*innen in ihrer Arbeit zu begleiten und zu unterstützen.

Um ein solches System, dessen einzelne Elemente regelmäßig koordiniert und flexibel unterstützt werden müssen, initiieren und betreiben zu können, ist es aller Erfahrung nach erforderlich, hauptamtliche Koordinator*innen einzusetzen. Diese koordinieren und organisieren alle wichtigen Abläufe im Lernbegleitsystem. Sie matchen die Tandems (bestehend aus einer Lernbegleitung und einer lernenden Person). Was sonst noch zu den Aufgaben und Rollen gehört, können Sie in der Slideshow nachlesen.


Annelie Cremer-Freis, Projekt APAG Trier

Die Vorteile ehrenamtlicher Lernbegleitung

„Ausgangspunkt für den Aufbau des ehrenamtlichen Lernpatensystems für Personen mit Problemen im Lesen und Schreiben war die Erkenntnis, dass für einen Teil der Personen eine Kursteilnahme eine große Hürde bedeutete. Gefragt war eine Alterna­tive bzw. eine Ergänzung, die die Angebotslücke schließt und besonders zu Beginn des Lernprozesses auch sozial unterstützend wirkt. Das Konzept einer 1:1 Begleitung der lernenden Person durch eine*n engagierte*n Ehrenamtliche*n setzt hier an. Lernbegleiter*innen können helfen, Ängste abzubauen, Mut zu machen und auch in schwierigen Phasen durchzuhalten. Zudem können sie sich auf eine Person konzentrieren, diese individuell fördern und zeitlich flexibel auf die persönliche Lebenssituation eingehen.“


Grundbildungsprojekte aus Trier: Unser Best-Practice-Beispiel für Sie!

Die Stadt Trier hat in den vergangenen Jahren mit den Projekten APAG und Knotenpunkte ein ehrenamtliches Lernbegleitsystem auf- und ausgebaut. Neben dem Angebot und der Begleitung von individuellen Lerngelegenheiten werden Schulungsangebote für Multiplikator*innen, Lernbegleiter*innen und interessierte Kommunen, aber auch neue Beratungsinstrumente für die lokale Unterstützung von Betroffenen entwickelt und erprobt.

Das Lernbegleitsystem wurde im Lerntreff der Stadtbücherei Trier umgesetzt. Der Kontakt zu möglichen Lernenden erfolgte über Kooperations- und Netzwerkpartner*innen, Mitwissende oder auch direkt vor Ort. Im Vordergrund stand dabei die Botschaft, dass Lesen- und Schreibenlernen auch im Erwachsenenalter noch möglich ist. Gleichzeitig stellten die Projekt-Mitarbeiter*innen im Lerntreff spezielles Lernmaterial bereit, akquirierten Lernbegleiter*innen und sensibilisierten diese für die Ansprache und Arbeit mit erwachsenen Lernenden. Sie zeigten den Einsatz der Materialien und unterstützten die Lernbegleiter*innen nach Bedarf bei ihrer Arbeit. So konnte eine ungezwungene Lernumgebung mit flexiblen Lernzeiten ermöglicht werden.

Die Inhalte dieser Themenwelt beruhen auf den gesammelten Praxiserfahrungen der Grundbildungsprojekte der Stadt Trier.

Wenn Sie mehr über die Grundbildungsprojekte der Stadt Trier erfahren möchten, werfen Sie einen Blick auf die Webseite.


Der Aufbau eines ehrenamtlichen Lernbegleitsystems ist ein zeit- und arbeitsaufwendiges Angebot der Grundbildung. Bedenkt man jedoch, welche Vorbehalte manche Lernende gegen einen Regelkurs haben, dann überwiegen die Vorteile der 1zu1 Begleitung: Diese ist zeitlich flexibel und ermöglicht individuelles Lernen genauso wie eine persönliche Vertrauensbeziehung der Lernbegleitung zum oder zur Lernenden. So können Hürden abgebaut und Personen zum Lernen motiviert werden, die ansonsten schwer zu erreichen sind.

Weiterführende Materialien

Verschiedene digitale Produkte aus den Projekten APAG bzw. Knotenpunkte Trier können kostenlos auf http://grundbildung.trier.de/materialien/ heruntergeladen werden. Hier finden Sie Handreichungen, Materialien und Hilfestellungen für Ehrenamtliche und Hauptamtliche in der Grundbildung.

Was sollten Sie berücksichtigen, wenn Sie ein ehrenamtliches Lernbegleitsystem aufbauen möchten? Diese Checkliste mit Leitfragen wird Ihnen behilflich sein.

Checkliste_Leitfragen.pdf - 99.9 KB

Wertvolle Hinweise zum Thema Konzeptentwicklung für Institutionen im Rahmen der Alphabetisierung und Grundbildung enthält auch diese kostenlose Handreichung:

Lernortgestaltung – Aufbau und Etablierung eines Lernortes für Grundbildung am Beispiel der öffentlichen Bibliothek - 2.7 MB

Zur Fortbildung und Koordination von ehrenamtlichen Lernbegleiter*innen und die Vorteile, die diese mitbringen, lohnt auch ein Blick in diese Handreichung:

Wagner, Daniela / Winzen, Kajo (2011): Alphabetisieren mit Herz und Verstand - 41.47 MB
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Die Inhalte dieser Themenwelt wurden in Kooperation mit dem BMBF geförderten Projekt Knotenpunkte für Grundbildung (ehemals Projekt APAG) entwickelt. Sie sind angelehnt an die Handreichung „Aufbau und Entwicklung eines ehrenamtlichen Lernbegleitsystems. Praxishandbuch für Institutionen“ aus dem Jahr 2018. Das Projekt wird durch die Stadt Trier umgesetzt. Ansprechpartner*innen sind unsere Expertinnen Dr. Nina Krämer-Kupka und Annelie Cremer-Freis. Maßgeblich beteiligt an der Handreichung war zudem Dr. Susanne Barth.

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